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Kommentar: Deutsche Bank am Abgrund

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Henrik Böhme
28. Januar 2016

Die Deutsche Bank steckt in der tiefsten Krise ihrer jüngeren Geschichte. Von besseren Zeiten ist sie weit entfernt. Die Konkurrenz ist längst außer Sichtweite. Es geht ums nackte Überleben, meint Henrik Böhme.

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John Cryan tut sein Bestes, das muss man ihm lassen. Wo früher ein mehr als selbstbewusster Josef Ackermann die Bank und ihre Geschäfte als eine Art Heiligen Gral huldigte, gibt Cryan den bescheidenen Arbeiter. Was anderen wohl mehr als peinlich wäre, gibt er frei heraus bekannt: Er und seine Vorstandskollegen werden für das abgelaufenen Geschäftsjahr keinen Bonus bekommen. Cryan gibt den Kämpfer, den Optimisten. Aber er räumt eben auch kräftig auf. Weil die Deutsche Bank keine andere Chance hat.

Am Boden zerstört

Um das ganze Desaster zu verstehen, braucht man nur ein paar Zahlen. Keine Angst, es werden nicht viele: 24 Milliarden Dollar, 17 Milliarden Dollar, 16 Milliarden Dollar: Das sind die Jahresgewinne der US-Banken JP Morgan, Citigroup und Bank of America. Das ist die Liga, in der die Deutsche Bank mal mitspielen wollte. Sie aber hat im selben Marktumfeld sieben Milliarden Euro Miese eingefahren. Auch die anderen haben drastische Strafen zahlen müssen, auch sie leiden unter den strengen Auflagen der Regulierer, auch sie mussten Vertrauen zurück gewinnen. Der Deutschen Bank aber laufen die Anleger in Scharen davon; seit dem Amtsantritt von John Cryan im Sommer des vergangenen Jahres hat sich der sowieso schon dürftige Aktienkurs praktisch halbiert. Zu allem Elend hat die erste Ratingagentur schon ihr Urteil gesprochen: Herabstufung des Ratings, die Aussichten negativ.

Nimmt man den Börsenwert, dann taucht Deutschlands Vorzeigebank nicht mal mehr unter den Top 50 der Welt auf. Sie ist, nimmt man die 20 Milliarden Euro Marktkapitalisierung, praktisch eine Übernahmekandidatin. Aber diese Sorgen müssen sie sich in den Frankfurter Zwillingstürmen gar nicht machen: Wer will diesen Laden schon kaufen, der gerade ziemlich durch die Gegend trudelt. Der auf der Suche ist nach einem Geschäftsmodell, nach einer Existenzberechtigung. Will man wirklich eine Universalbank bleiben? Oder wäre es nicht doch besser, die Bank aufzuspalten? Wie will man der Herausforderung durch die Digitalisierung der Branche begegnen? Diese Fragen hat die neue Führung bislang nicht beantwortet. Es ist zwar viel Optimismus zu hören, vom "Licht am Ende des Tunnels". Aber das könnten genauso gut auch die Lichter einer Lokomotive sein, die über die Bank hinweg rollt.

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Henrik Böhme, Wirtschaftsredaktion

Du hast keine Chance. Also nutze sie!

Natürlich sind das jetzt bittere Zeiten: Knapp sieben Milliarden Euro Verlust, das ist eine Katastrophe. Das geht ans Eingemachte, das geht an den Kern. Dabei braucht die Bank dringend Geld, um den gigantischen Umbau stemmen zu können. Und keiner kann die Frage beantworten, wie teuer die ganzen Rechtsstreitigkeiten noch werden können. Der GAU wäre der Verlust der Banklizenz in den USA. Unwahrscheinlich? So richtig gut sind die Amerikaner auf die Deutschen gerade nicht zu sprechen - Volkwagen lässt grüßen.

Es gibt ein paar Lichtblicke, das ist richtig. Vielleicht verdient die Deutsche Bank in diesem Jahr schon wieder ein bisschen Geld. Aber dafür würde keiner der Vorstände sein Haus verwetten. Und doch wäre es so wichtig für den Standort Deutschland, dass die Deutsche Bank wieder globaler Player wird. Was würde es für ein Licht auf die erfolgreiche Exportnation Deutschland werfen, wenn dieses Land keine große, international erfolgreiche Bank mehr vorzuweisen hätte. Man kann jetzt Kübel von Häme über der Deutschen Bank auskippen. Man kann aber auch hoffen, dass sie wieder auf die Beine kommt. Das wenigste, was die Bank derzeit hat, sind Zeit und Vertrauen. Der Markt ist eben gnadenlos. John Cryan und seine Mannschaft haben eigentlich keine Chance. Aber, wie das im Sport eben auch ist: Genau darin könnte die Chance liegen.

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Henrik Böhme Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Auto- und Finanzbranche@Henrik58