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Kommentar: Die EU ist am Zug

3. August 2015

Die Fluchtursachen in den Herkunftsländern beseitigen - das ist ein vielzitiertes Ziel europäischer Asylpolitik. DW-Redakteur Christoph Hasselbach meint: In den Balkanländern zeigt sich, dass Brüssel mehr tun könnte.

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Menschengedränge vor einem Schalter Foto: Sean Gallup/Getty Images
Bild: Sean Gallup/Getty Images

Das Argument klingt nicht nur plausibel, es ist auch eine Formel, auf die sich ausnahmsweise alle politischen Parteien in Deutschland und auch in anderen EU-Ländern in der Asylpolitik verständigen können: Ziel müsse es sein, die Situation in den Herkunftsländern so zu verbessern, dass Menschen gar keinen Grund mehr haben, ihre Heimat zu verlassen. Vor allem im Zusammenhang mit Afrika geben Europapolitiker gern diese Langzeitstrategie aus.

Christoph Hasselbach Foto: DW/M.Müller
DW-Redakteur Christoph HasselbachBild: DW/M.Müller

Alle wollen in die EU

Wer wollte dem widersprechen? Und doch muss man nur auf den westlichen Balkan schauen, um an der schnellen Umsetzbarkeit dieses Zieles zu zweifeln. Es geht hier um Albanien, Bosnien-Herzegowina, das Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien. Alle diese Länder drängen in die EU, und Brüssel hat ihnen auch eine klare Beitrittsperspektive gegeben.

Albanien, Mazedonien, Montenegro und Serbien sind sogar schon Beitrittskandidaten und damit auf dem Weg in die EU noch ein Stück weiter. Bosnien-Herzegowina ist ein Sonderfall. Der Staat mit seinen durch den Jugoslawienkrieg verfeindeten Volksgruppen ist praktisch ein Protektorat von Vereinten Nationen und EU.

Entsprechend groß ist der westliche Einfluss mit dem Ziel, zu stabilisieren, zu versöhnen, staatliche Strukturen aufzubauen, die Wirtschaft in Gang zu setzen. Auch im Kosovo, dessen völkerrechtlicher Status nach wie vor ungeklärt ist, ist die EU mit ihrer EULEX-Mission entscheidend am Aufbau von Verwaltung, Polizei und Justiz beteiligt.

Zwanzig Jahre Aufbau

Seit ungefähr zwanzig Jahren versucht die EU also mit Anreizen, viel Geld und Beratern vor Ort genau das: Die Entwicklung des Landes voranzutreiben, damit die Menschen in ihrer Heimat eine Perspektive sehen.

Heute muss man feststellen: Zwanzig Jahre Stabilisierungspolitik in einem im EU-Maßstab überschaubaren Gebiet und mitten in Europa haben dieses Ziel offensichtlich verfehlt.

Denn warum suchten sonst jeden Monat Tausende von Menschen aus diesen Ländern ihr vermeintliches Glück in Deutschland? Wenn aber die Strategie auf dem westlichen Balkan unter vergleichsweise günstigen Bedingungen nicht gelungen ist, was kann sie dann in West- oder Nordafrika ausrichten?

Brüssel gibt die Hebel freiwillig aus der Hand

Und doch wäre es ein falscher Schluss, deswegen zu verzweifeln und das Ziel ganz aufzugeben. Denn zum Teil liegt der Misserfolg auch daran, dass die EU ihre Ziele einfach nicht entschieden genug verfolgt. Serbien und seine Minderheitenpolitik ist ein Beispiel.

So gut wie alle serbischen Asylbewerber in Deutschland sind Roma. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel gibt zu, dass die Roma in Serbien diskriminiert werden. Dennoch gilt Serbien für Berlin als "sicheres Herkunftsland".

Minderheitenschutz ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für den EU-Beitritt eines Landes. Das heißt, die EU hat beim Beitrittskandidaten Serbien eigentlich alle Druckmittel in der Hand, sie muss sie nur einsetzen.

Serbiens Ministerpräsident Aleksander Vucic hatte beim Besuch der Bundeskanzlerin in Belgrad im Juli gesagt, die Flüchtlinge seien ein "gemeinsames Problem", für das europäische Hilfe nötig sei - ein heuchlerischer Satz angesichts der systematischen Diskriminierung der Roma.

Die klare Botschaft an Belgrad muss deshalb lauten: Solange Ihr Eure eigenen Minderheiten benachteiligt, kommt Ihr auf dem Weg in die Mitgliedschaft nicht einen Schritt weiter. Man muss sich zu dieser Klarheit nur durchringen. Sie dürfte ihre Wirkung nicht verfehlen.

Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik