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Kommentar: Der Unantastbare und seine Gehilfen

Joscha Weber22. Oktober 2012

Der Weltradsportverband UCI trennt sich erst von Zugpferd Armstrong, als es nicht mehr anders geht. Ein scheinheiliges Vorgehen, meint DW-Sportredakteur Joscha Weber, der einen Neustart von außen fordert.

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Am Ende war es ein Akt der Selbstverteidigung: Der Weltradsportverband UCI hat Lance Armstrong seine sieben Toursiege aberkannt. Ein unvermeidlicher Schritt, denn hätte die UCI ihren einstigen Superstar noch ein weiteres Mal geschützt, hätte der Verband auch den Rest seiner Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt und wäre selbst vor den Sportgerichtshof CAS gezogen worden. Über Jahre war Armstrong der Unantastbare des Radsports - sechs positive Dopingproben von 1999 und ihn belastende Zeugenaussagen hin oder her.

Die UCI und ihren Chef Pat McQuaid hat das alles bislang kaum interessiert. 1999 reichte Armstrong ein zurückdatiertes (!) Rezept, um einen positiven Cortison-Test bei der UCI aus der Welt zu schaffen. 2001 gab Armstrong bei der Tour de Suisse eine "verdächtige Probe" ab, die keine Konsequenzen hatte. Eine von Pat McQuaid bestätigte "Spende" Armstrongs über 100.000 Dollar wenige Monate später legt einen Verdacht nahe: Die UCI ließ sich von Armstrong bestechen. Armstrong selbst habe mit diesem Coup geprahlt, sagten seine Ex-Teamkollegen Tyler Hamilton und Floyd Landis.

"Null Interesse" an Aufklärung

Dass McQuaid nun wieder einmal Aufklärung verspricht und den Anti-Dopingkampf seine "Hauptaufgabe" nennt, klingt fast schon ironisch. Denn Ex-Profi Jörg Jaksche hatte McQuaid 2007 persönlich umfassend über Dopingpraktiken in seinen Mannschaften berichtet. "Die UCI hat aber null Interesse daran gezeigt. McQuaid sagte mir, er hätte es lieber gesehen, dass ich die Dinge anders geregelt hätte", sagte Jaksche gegenüber den Dopingjägern der US-Anti-Dopingagentur USADA.

Porträt von DW-Sportredakteur Joscha Weber
DW-Sportredakteur Joscha Weber

Jahrelang galt also bei der UCI: Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Schließlich war Armstrong mit seiner Krebsgeschichte ein finanziell nicht zu unterschätzendes Zugpferd für den weltweiten Radsport. Die Trennung vom einstigen Liebling fiel der UCI sehr schwer und erfolgte nun erst, als es keine andere Möglichkeit mehr gab. Manch einer will sich immer noch nicht lossagen von Armstrong: Es gebe nicht die Spur eines Beweises gegen Armstrong, tat kürzlich UCI-Ehrenpräsident Hein Verbruggen nach der Veröffentlichung der mehr als eindeutigen USADA-Dokumente kund. Hat Verbruggen eine Leseschwäche oder hat er selbst etwas zu verbergen?

Der x-te Neuanfang im Radsport – diesmal sollte es ein echter sein

Nun will man schnell einen Neuanfang bei der UCI. Wieder einmal. Wie nach dem Festina-Skandal 1998, der Fuentes-Enthüllung 2006 und dem Telekom-Skandal 2007. Mantraartig wiederholte McQuaid vor der Weltpresse: "Der Radsport hat eine Zukunft." Aber was für eine? Bisher fanden die zahlreichen Neuanfänge immer mit demselben Personal statt: Funktionäre und Manager durften weiter machen, während einzelne Fahrer gesperrt wurden. Die Symptome der Krankheit Doping wurden verteufelt, die Ursachen dezent verschwiegen. Eine Säuberung von innen darf auch diesmal niemand erwarten. Der Radsport braucht eine radikale Neustrukturierung - und zwar von außen.