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Die Grenzen der Toleranz

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Rainer Traube
13. Oktober 2015

Der Auftritt von Salman Rushdie zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse war ein starkes Signal. Zu Recht warnte der verfolgte Schriftsteller vor einer Erosion der Meinungsfreiheit auch im Westen, meint Rainer Traube.

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Frankfurter Buchmesse Salman Rushdie
Bild: Reuters/R. Orlowski

Auf dem Einband der deutschen Ausgabe von Salman Rushdies neuem Roman entlädt sich ein gigantisches Blitzgewitter über einem wehrlosen gelben Männchen. Nicht schwer zu entziffern: Der Autor selbst, seit 26 Jahren dem Zorn fanatischer Muslime ausgesetzt, ist die verletzliche Figur.

Wie verletzlich Rushdie immer noch ist, wurde diese Woche in Frankfurt deutlich: die ungewohnt strengen Sicherheitsmaßnahmen, die seine Stippvisite zur Eröffnung der Buchmesse begleiteten; die beleidigte Absage der iranischen Delegation. In Teheran, wo 1989 die fatale Fatwa ausgesprochen wurde, ist der Name Rushdie immer noch pure Provokation. Rushdie, der ein Jahrzehnt lang unter Polizeischutz und Pseudonym abtauchen musste, weiß, was es heißt, wehrlos zu sein. "Es reicht nicht, dass unsere Bücher verteidigt werden. Wir brauchen den persönlichen Schutz."

Moralischer Rückhalt für die Verfolgten

Es war eine gute Entscheidung, Rushdie den Ton zu dieser Buchmesse vorgeben zu lassen. Wer, wenn nicht die weltgrößte Buchmesse, sollte klare Signale aussenden und der wachsenden Schar bedrängter, verbotener, verfolgter Schriftsteller wenigstens moralischen Rückhalt bieten. "Unser Beruf fühlt sich immer mehr an wie ein Feldzug", sagt Rushdie. Weil Tyrannen es nicht ertragen, dass ihre Wahrheiten in Frage gestellt werden, richten sie ihren Hass auf die Autoren und Dichter, verdammen den "westlichen Individualismus" als kulturfremd.

Wir sprechen hier nicht nur von Asien oder der Arabischen Welt: Auch Europas letzter Diktator Alexander Lukaschenko, Herr über Weißrussland, ergeht sich regelmäßig in Schmähungen über die Demokratie und ihre Werte. Wieder muss Rushdie daran erinnern, dass die Freiheit des Wortes nicht kultur- oder religionsspezifisch ist, sondern so universell wie das Geschichtenerzählen, das uns Menschen verbindet.

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DW-Kulturredakteur Rainer Traube

Völlig zu Recht erzürnt den Autor der "Satanische Verse", dass der Konsens über die Meinungsfreiheit jetzt auch in der westlichen Gesellschaft selbst zu erodieren droht. Die Diskussion um sogenannte "Trigger-Wörter" in den USA zählt dazu, mit denen überempfindliche Leser vor kontroversen Buchinhalten gewarnt werden sollen. Oder die Weigerung von Studenten an einer amerikanischen Elite-Universität, einen Comic zu lesen, in dem lesbische Liebe thematisiert wird - mit dem Hinweis auf religiöse Gefühle.

Nicht zu Sympathisanten der Fanatiker werden

Befremdlich auch die Strategie eines Teils der linken Intelligenzia, Kritik am Islam pauschal als "Islamophobie" zu diskreditieren. Mit exakt dieser Argumentation distanzierten sich rund 200 PEN-Autoren in diesem Jahr von der Verleihung eines Menschenrechts-Preises an das Pariser Satiremagazin Charlie Hebdo, darunter große Namen wie Michael Ondaatje und Teju Cole. Wer als Schriftsteller so handelt, folgert Rushdie, verrät all jene, die für ihre Freiheit kämpfen, leiden oder - wie im Falle Charlie Hebdo - ermordet wurden. Und macht sich zum Sympathisanten der Fanatiker.

Wir brauchen den klaren Geist eines Salman Rushdie, um zu erkennen, wo die Grenzen der Toleranz verlaufen. "It falls to us to hold the line", warnte er in Frankfurt mit Nachdruck. Wir müssen die Freiheit verteidigen. Wer sonst?

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