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Die Tour bleibt, wie sie ist

Joscha Weber21. Juli 2013

Mit einer spektakulären Flutlicht-Ankunft in Paris ist die Tour zu Ende gegangen. Ihr Sieger weckt berechtige Zweifel - und muss dennoch als unschuldig gelten, meint DW-Sportredakteur Joscha Weber.

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Zunächst einmal der Faktencheck: Keine positive Dopingtests, ein (bislang) unbescholtener Sieger und viele Millionen Zuschauer an der Strecke. Aus Sicht der Veranstalter liest sich die Bilanz der 100. Tour de France blendend. Zudem wurden ganz bewusst zur Jubiläumsausgabe spektakuläre Landschaften wie Korsika, der Mont-Saint-Michel, der Mont Ventoux, Alpe d'Huez oder erstmals die nächtlichen Champs-Elysées in die Strecke integriert. Den Verantwortlichen der veranstaltenden ASO ist die Macht dieser Bilder bewusst: Eine großartige Kulisse für einen großartigen Sport. Wenn es doch so einfach wäre.

Joscha Weber (Foto DW/Per Henriksen)
DW-Sportredakteur Joscha WeberBild: DW

Die Schönheit Frankreichs überstrahlt manchmal den Zweifel, mit dem die Öffentlichkeit mittlerweile auf das größte Radrennen der Welt blickt. Denn machen wir uns nichts vor, die Reputation der Tour war schon mal besser in ihrer 110-jährigen Geschichte. Selbst in der Heimat bröckelt das Vertrauen: Rund 40 Prozent der Franzosen zeigten sich in einer Umfrage vor dem Start des Rennens gleichgültig, wenn die Tour de France morgen eingestellt würde. Eine alarmierende Zahl für die Organisatoren. Doch auf der Straße sah es dann aus wie eh und je: In dichten Reihen säumten die Fans die Strecke - ob es tatsächlich die von den Veranstaltern angekündigten zwölf Millionen Menschen waren, lässt sich nicht nachprüfen.

Überragend = verdächtig

Ebenfalls dünn ist die Beweislage in der Frage, ob der Toursieger diesmal sauber ist. Der Brite Chris Froome überragte alle, dominierte in den Bergen wie im Zeitfahren und fuhr mit - je nach Betrachtungswinkel beruhigenden oder unberuhigenden - 5:03 Minuten Vorsprung über den Zielstrich auf den Pariser Champs-Elysées. Seine Leistung verdient Anerkennung, er war anders als mancher Konkurrent auf den Punkt fit zum Saisonhöhepunkt und zeigte so gut wie keine Schwächen. Und genau das ist vielen Zuschauern suspekt.

Chris Froome (Foto: dpa)
Übermächtig: Toursieger Chris FroomeBild: picture-alliance/dpa

Viel ist diskutiert worden in den vergangenen drei Wochen über Froomes Leistungsdaten. Sind seine Zeiten bei den Bergankünften in Ax-3-Domaines und auf dem Mont Ventoux überhaupt ohne illegale Leistungssteigerung menschenmöglich? Schwer zu sagen. Faktoren wie Renntaktik, mannschaftliche Unterstützung, Wind und Wetter haben entscheidenden Einfluss. Und doch ist es verdächtig, dass Froomes Zeiten schneller waren als die von Jan Ullrich oder Marco Pantani - längst in Dopingskandalen gestürzte Heroen des Radsports.

Rätselhafte Auferstehung

Merkwürdig ist auch die Tatsache, dass Chris Froome - zuvor ein eher mittelmäßiger Fahrer - 2011 nach der schweren tropischen Infektionskrankheit Bilharziose wie aus dem Nichts in den Kreis der weltbesten Rundfahrer kletterte. Zudem beschäftigte sein in den letzten beiden Jahren dominierendes Sky-Team bis Ende 2012 den Arzt Geert Leinders. Dieser steht im Zentrum der Dopingaffäre um das ehemalige niederländische Rabobank-Team.

Aber reichen diese Indizien für einen Schuldspruch gegen Froome? Nein. Er ist der verdiente Sieger der Tour 2013 und muss als unbescholten gelten - bis zu einem Beweis des Gegenteils.

Die Lust am Skandal

Und das Rennen selbst? Ihre Unschuld hat die Tour schon früh in ihrer Geschichte verloren.

Genauer gesagt bei der zweiten Austragung 1904, als Sieger Maurice Garin mit anderen Fahrer dabei erwischt wurde, wie er einen Teil der Strecke mit der Eisenbahn statt des Fahrrads zurücklegte. "Skandal!", schrieb die veranstaltende Zeitung L'Auto - die Garin zuvor noch als edlen Ritter der Landstraße beschrieben hatte - und verkaufte damit eine hohe Auflage. Heldenverehrung und Skandalisierung - beides gehört zur Tour und ist Teil des vielbeschworenen Mythos. Auch deshalb werden die Dopingskandale die Tour nicht beenden. Die Tour wird bleiben - so wie sie ist.

Toursieger Maurice Garin posiert mit seinem Rad und einem Unbekannten (Foto: Getty)
Der erste Sieger und der erste Skandal: Maurice Garin vereint beides in sich - und steht damit für die TourBild: STR/AFP/Getty Images