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Syriens Tragödie geht weiter, die Welt duckt sich weg

Sollich Rainer Kommentarbild App
Rainer Sollich
23. August 2015

Die meisten Menschen, die nach Europa flüchten, stammen aus Syrien. Trotz neuer diplomatischer Initiativen gibt es wenig Hoffnung auf ein baldiges Ende des Krieges in ihrer Heimat, meint Rainer Sollich.

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Syrien Ariha Absturz Kampfjet Trümmer
Bild: picture-alliance/Ariha Today

Wenn in Westeuropa über Flüchtlinge debattiert wird, lautet eines der Standardargumente: "Wir müssen mehr tun, um die Fluchtursachen in den Herkunftsländern zu bekämpfen." Regierungen überweisen dann vielleicht mehr Geld dorthin und knüpfen ihre Unterstützung so gut wie möglich an Bedingungen - immer in der Hoffnung, dass solche kleine Schritte sich zumindest langfristig positiv auswirken könnten.

Im Falle Syriens geschieht dies nicht, denn in Syrien herrscht Krieg. Weder das menschenverachtende Gewalt-Regime von Baschar al-Assad noch die pseudo-religiösen Terroristen des "Islamischen Staates" (IS) kommen als Partner für europäische Good-Governance-Projekte in Frage. Alle Aufbau-Projekte müssten praktisch bei Null beginnen. Die traurige Wahrheit ist: In Syrien gibt es nicht einmal mehr ausreichend relevante Kräfte, die überhaupt als "Partner" für Friedensverhandlungen in Frage kämen - abgesehen vielleicht vom speziellen Fall der kurdischen Minderheit und einigen wenigen gemäßigten, aber politisch marginalisierten Oppositionsgruppen.

Flüchtlingen muss geholfen werden

Mehr als 250.000 Menschenleben hat der Syrien-Konflikt in den vergangenen vier Jahren gefordert. Konfessioneller Hass und Rachegelüste haben das Klima auf Jahre vergiftet. Fast die Hälfte der Bevölkerung ist auf der Flucht - sei es vor Assads Flächenbombardierungen, sei es vor den pseudo-islamischen Mörderbanden des IS oder ähnlichen Gruppierungen wie der Al-Kaida-nahen Nusra-Front. Länder wie Libanon, Jordanien und die Türkei trugen bisher die Hauptlast der syrischen Tragödie.

Doch auch Europa bekommt die Folgen dieses Krieges immer deutlicher zu spüren: Der überwiegende Anteil der Flüchtlinge, die derzeit auf Lampedusa, Kos oder an der mazedonischen Grenze verzweifelt Einlass begehren, kommt aus den syrischen Kriegsgebieten. Das sind Menschen, denen Europa und die internationale Gemeinschaft helfen muss; Menschen, die unseren Schutz und unsere Unterstützung verdienen. Denn anderes haben wir und unsere Politiker in Machtzentralen wie Washington, London, Paris oder Berlin ihnen leider nicht zu bieten. Es ist keine verlässliche Perspektive in Sicht, die das Morden in der Heimat dieser Flüchtlinge in absehbarer Zeit beenden könnte. Nicht nur die Konfliktparteien vor Ort, auch die Interessengegensätze der umliegenden Staaten sowie zwischen Washington und Moskau haben bisher jeden substanziellen Schritt in Richtung Frieden verhindert.

Deutsche Welle Rainer Sollich Arabische Redaktion
Rainer Sollich, Redakteur bei DW-ArabischBild: DW/P. Henriksen

Vage Hoffnungsschimmer

Es gibt nur vage Hoffnungsschimmer - vorsichtige Anzeichen dafür, dass sich hinter den Kulissen etwas bewegen könnte in der festgefahrenen Syrien-Frage. Insbesondere Russland scheint seine bisherige Strategie in Nuancen zu überdenken, möglicherweise auch der Iran, Saudi-Arabien und die Türkei. Darauf deuten bemerkenswerte Reiseaktivitäten hin, wie beispielsweise der Besuch von syrischen Oppositionellen in Moskau oder die Reise des syrischen Geheimdienstchefs nach Riad. Treffen, die bis vor kurzem noch kaum denkbar erschienen. Doch öffentlich beharren alle direkt und indirekt beteiligten Akteure bislang auf ihren altbekannten Positionen: pro oder gegen al-Assad. Klar ist: Es wird nach neuen Wegen gesucht - doch ob man wirklich neue Kompromissformeln finden wird, ist bisher völlig ungewiss. Ebenso wie mögliche Auswirkungen der Einigung über das iranische Atomprogramm auf den Syrien-Krieg nicht verlässlich voraussagbar sind.

Die jüngste Initiative, die die Vereinten Nationen gestartet haben, ist diplomatisch aller Ehren wert. Immerhin haben sowohl Washington wie auch Moskau zugestimmt, die auch bei einer Resolution zu Chemiewaffen-Einsätzen in Syrien bemerkenswert einig waren. Aber auch diese Initiative kann den Syrern nur vage Hoffnungen bieten: Die Konfliktparteien sollen Arbeitsgruppen bilden und sich an den Verhandlungstisch setzen. Solche Versuche gab es schon mehrfach. Sie sind bisher immer gescheitert. Ohne eine grundlegende Einigung zwischen Saudi-Arabien und Iran sowie zwischen Moskau und Washington wird es nicht gehen.

In der Zwischenzeit geht das Morden täglich weiter. Und die Welt schaut weiter zu oder duckt sich ratlos weg.

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