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Kommentar: Dilemma Südossetien - Ein Konflikt ohne Gewinner

7. August 2009

Vor einem Jahr versuchte der georgische Präsident mit Gewalt das abtrünnige Südossetien zurückzuerobern. Russland stoppte das militärische Abenteuer, doch einen richtigen Sieger gibt es nicht, meint Ingo Mannteufel.

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Bild: DW
Ingo Mannteufel
Ingo Mannteufel

Der georgische Präsident Michail Saakaschwili ist mit seiner Offensive gegen die abtrünnige Region Südossetien vor einem Jahr nicht nur militärisch gescheitert. Viel schwerer wiegt, dass Saakaschwili seit diesem Desaster erheblich an politischer Unterstützung verloren hat.

Saakaschwili geschwächt

In Georgien hat die schon vorher existierende Opposition gegen den Präsidenten durch das Debakel und die Folgen des Krieges Zulauf erhalten. Nur mit aller Mühe und teils zweifelhaften Methoden gelingt es Saakaschwili, seine Macht in Tiflis zu halten.

Außenpolitisch sieht es für Saakaschwili auch nicht besser aus: In Europa wird er als unberechenbarer Politiker oder gar als Hasardeur gesehen. Der von der Europäischen Union in Auftrag gegebene Untersuchungsbericht über den Fünf-Tage-Krieg dürfte diesen Eindruck kaum verändern. Die neue US-Regierung unter Barack Obama unterstützt zwar Georgien weiterhin auf seinem Weg in Richtung Westen, doch US-Vizepräsident Biden hat bei seinem Besuch kürzlich davor gewarnt, die separatistischen Konflikte in Georgien noch einmal mit Gewalt lösen zu wollen. Eine NATO-Mitgliedschaft für Georgien wird zwar weiterhin nicht ausgeschlossen, in nächster Zeit ist damit aber nicht zu rechnen.

Nicht wirklich ein Sieg für Russland

Ein Jahr nach dem Krieg kann aber auch die russische Führung um Präsident Dmitri Medwedew nicht zu den politischen Gewinnern des Konflikts gezählt werden. Zwar hat Russland den für sich vorteilhaften Status Quo erfolgreich verteidigt, die weitreichenden Militäraktionen haben aber Georgiens Präsident Saakaschwili nicht zu Fall gebracht.

Genau das war aber das Ziel des heftigen Vorgehen Moskaus. Dagegen war der Preis, den Russland für seinen massiven Militäreinsatz bezahlt hat, hoch: ein verstärktes Misstrauen der Europäer gegenüber einem militärisch auftrumpfenden Russland.

Zudem werden dem Kreml die einseitige staatliche Anerkennung Südossetiens und der anderen abtrünnigen Region Abchasien noch Schwierigkeiten bereiten. Der Schritt hat nicht nur offenbart wie sehr Russland international isoliert ist, da nicht mal ein Staat aus dem GUS-Bündnis dem Beispiel Moskaus gefolgt ist. Vielmehr war die Anerkennung unnötig und sinnlos. Russland hat dadurch nichts konkret gewonnen und eher sogar politische Handlungsoptionen für die Zukunft verloren. Jede mögliche künftige Änderung der diplomatischen Anerkennung von Südossetien und Abchasien durch Moskau, dürfte als ein Gesichtsverlust Russlands interpretiert werden.

Damit hat sich auch die Rolle Moskaus gewandelt: Während es vor dem Konflikt zumindest noch theoretisch die Funktion eines Vermittlers einnehmen konnte, hat sich Russland nun auf die Seite der separatistischen Regime geschlagen und die Verantwortung für die Verhältnisse in diesen Gebieten übernommen. Damit ist Russland in gewisser Hinsicht erpressbar durch die Machthaber in Südossetien und Abchasien geworden, die nun verstärkt finanzielle Hilfe aus Moskau verlangen können.

Europas Dilemma

Der russisch-georgische Krieg um Südossetien hat letztendlich auch die Europäer in eine schwierige Lage versetzt. Auch wenn es viele in Europa noch nicht begriffen haben, so ist Südossetien wahrscheinlich der härteste Testfall für eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik. Denn in diesem Konflikt vereint sich mikroskopisch alles, was die Schwierigkeiten einer europäischen Außen- und Verteidigungspolitik ausmacht: erstens, die Beziehungen zu Russland, zweitens das Verhältnis zu den USA und die Bedeutung der NATO. Und drittens, die Rolle Brüssels als eigenständiger Akteur außerhalb der Europäischen Union. Ob dafür die etwas mehr als 200 Mitglieder umfassende EU-Beobachtermission ausreichend ist, darf bezweifelt werden.

Autor: Ingo Mannteufel

Redaktion: Karin Jäger