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Politik

Feiert nicht, diskutiert!

Kommentarbild Muno Martin
Martin Muno
13. April 2018

Wenn die Rapper Kollegah und Farid Bang einen wichtigen deutschen Musikpreis gewinnen, muss man sich nicht wundern, wenn Antisemitismus gesellschaftsfähig wird, meint Martin Muno. Und zieht den Hut vor einem Punk.

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Echo 2018  Kollegah  und Farid Bang
Die Rapper Kollegah (re.) und Farid Bang bei der Echo-Gala 2018Bild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

Man kann den in der deutschen Rap-Szene verbreiteten Antisemitismus an einzelnen Zeilen festmachen: "Mein Körper definierter als Auschwitz-Insassen" heißt es im Song "0815" von Farid Bang und Kollegah. Und ausgerechnet das Album mit dem klirrenden Namen "Jung, brutal, gutaussehend" mit diesem Song gewinnt den Echo in der Kategorie Hip-Hop/Urban National. Ausgerechnet am 12. April, an dem Tag, an dem Israel der Opfer des Holocaust gedenkt.

Antisemitismus kann man an vielen einzelnen Zeilen deutscher Rapper festmachen. Etwa der von "Haftbefehl" aus dem Jahre 2010: "Du nennst mich Terrorist, ich nenne dich Hurensohn / Gebe George Bush ein Kopfschuss und verfluche das Judentum". 2014 rappt er "ticke Kokain an die Juden von der Börse". Immerhin: "Haftbefehl" hat sich später mehrfach glaubwürdig von diesen Zeilen distanziert.

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DW-Redakteur Martin Muno

Das ganze Bild wird allerdings deutlich schärfer, wenn man ganze Songs hört - und sich dazu die Videos anschaut - wie etwa das Stück "Apokalypse" des besagten Echo-Preisträgers Kollegah. Es handelt vom Kampf des Guten gegen das Böse. Das Böse wird von einem Dämon in einem Bank-Hochhaus in London gelenkt mit einem Davidstern-Ring am Finger. Der Schauplatz des Kampfes ist Jerusalem und am Ende heißt es: "Man sieht, wie Buddhisten, Muslime und Christen / gemeinsam die zerstörten Städte wieder errichten". Von Juden ist keine Rede mehr.

Antisemitismus - die "falsche Projektion"

Das ist noch nicht einmal ein als Antizionismus verbrämter Antisemitismus, wie ihn etwa Kollegahs Rap-Kollege Bushido pflegt. Das ist klassischer Antisemitismus. Er beruht, wie der Philosoph Theodor W. Adorno beschreibt "auf falscher Projektion". Juden werden dargestellt als geldgierige, hinterhältige Drahtzieher, die eher im Verborgenen agieren und nichts weniger als die Welt beherrschen wollen - also die gleiche Propaganda, mit der die Nationalsozialisten in Deutschland in den 1930er-Jahren den Holocaust geistig vorbereiteten. Nichts weniger als geistige Brandstiftung also.

Und die gleich im großen Stil: Rapper wie Kollegah oder Farid Bang haben einen so großen Einfluss auf den gesellschaftlichen Diskurs Jugendlicher, dass manch gestandener Rechtsradikale gelb vor Neid werden könnte. 200.000 mal wurde "Jung, brutal, gutaussehend" verkauft; auf dem Streamingdienst Spotify hatte es allein im April rund 1,5 Millionen Hörer. Wer will sich da noch wundern, wenn "Jude" auf deutschen Schulhöfen mittlerweile ein gängiges Schimpfwort ist?

Wenn ein solches Album dann auch noch mit einem Preis geehrt und einer Gala der Musikindustrie medienwirksam gefeiert wird, ist das ein Skandal! Schon die Nominierung war "für alle Überlebenden des Holocaust ein Schlag ins Gesicht und ein für Deutschland beschämender Vorgang", wie das Internationale Auschwitz Komitee kurz vor der Preisverleihung am Donnerstag zurecht kritisierte.

Ein Dank an den Punk!

Immerhin gab es einen Musiker, der das beschämende Spiel nicht mitspielen wollte: Campino, der mittlerweile 55 Jahre alte Punk und Frontmann der "Toten Hosen", legte in seiner Rede bei der Gala den Finger in die Wunde: Prinzipiell sei Provokation in der Pop-Musik gut und richtig. "Wenn Provokation aber eine frauenfeindliche, homophobe, rechtsextreme oder antisemitische Form annimmt, wird eine Grenze überschritten." Er plädiere nicht für Zensur oder Verbote, sondern forderte eine offene Auseinandersetzungen darüber, "was noch erträglich ist und was nicht." (Es soll an dieser Stelle nicht tiefer erörtert werden, aber nicht unter den Tisch fallen: Der gewaltbereite Sexismus dieser Art Rap ist ebenso widerlich wie die Judenfeindlichkeit oder die Homophobie.)

Kollegah sagte daraufhin: "Also, ich will keine Politik-Debatte darum machen." Doch genau darum geht es! Es geht darum, in einer "Politik-Debatte", in der gesamten demokratischen Gesellschaft zu definieren, was Antisemitismus ist. Und was Antisemitismus anrichten kann. Damit später niemand sagen kann, er habe es nicht gewusst.

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Martin Muno Digitaler Immigrant mit Interesse an Machtfragen und Populismus@martin.muno