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Ein schleichender Tod?

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Henrik Böhme
5. September 2018

Es ist ein Elend: Aber von deutschen Banken kommen einfach keine guten Nachrichten. Dass Deutsche und Commerzbank jetzt aus den wichtigsten Börsenindizes fliegen, verheißt keine gute Zukunft, meint Henrik Böhme.

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Deutschland War mal eine Deutsche Bank
Bild: picture alliance/dpa/M. Schönherr

Wenn es stimmt, was die Experten immer sagen, nämlich dass an der Börse die Zukunft gehandelt wird, dann darf man sich nicht wundern, wenn eben solche Dinge passieren wie in diesen Tagen. Wenn sich also die Börsenbetreiber anschauen, ob die Unternehmen in ihren sogenannten Indizes (dem Dax zum Beispiel oder dem EuroStoxx) noch die Vorgaben erfüllen, die dazu berechtigen, in diesen Top-Listen zu erscheinen. Ein wichtiges Kriterium ist der sogenannte Börsenwert oder auch Marktkapitalisierung genannt - sprich: Preis der Aktie mal Stückzahl der frei handelbaren Aktien. Das macht bei der Deutschen Bank zum Beispiel in Summe gerade noch 20 Milliarden Euro. Und das reicht dann eben nicht mehr für den EuroStoxx-Index, der die 50 wertvollsten Unternehmen der Eurozone abbildet.

Mehr als ein Image-Schaden

Dabei war die Deutsche Bank doch mal der Stern der deutschen Wirtschaft. Zu besten Zeiten kostete das Papier über 100 Euro, heute dümpelt der Kurs unter zehn Euro herum. Und gerade wieder hat ein hoch angesehener Branchenanalyst ein herbes Urteil gesprochen: Die Deutsche Bank hat keine Zukunft. Im Publikum saß auch: der Chef der Deutschen Bank. Dem dürfte das nicht gefallen haben. Zumal der Rauswurf aus dem EuroStoxx ja nicht nur ein Image-Schaden ist. Das hat auch ganz praktische Auswirkungen, zum Beispiel bei den sogenannten und derzeit sehr gefragten ETF-Fonds. Die bilden Indizes nach - und wenn da eine Aktie rausfliegt, muss auch der Fonds die entsprechenden Aktien abstoßen. Heißt: Es könnte turbulent werden für die Deutsche Bank in den kommenden Tagen. Denn die verkündeten Änderungen treten ab 24. September in Kraft.

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Henrik Böhme, DW-Wirtschaftsredaktion

Ähnlich bitter wird es für die zweitgrößte deutsche Privatbank, die Commerzbank. Sie verliert ihren Platz im Deutschen Aktienindex - nach 30 Jahren Mitgliedschaft. Und weil der Börsenbetreiber Deutsche Börse all seine Indizes gerade komplett reformiert, kommt es zum symbolträchtigen Einzug eines Zahlungsdienstleisters in den Dax. Ein Signal! Da kommt ein sogenanntes Fintech-Unternehmen um die Ecke und verdrängt eine klassische Bank. Das muss damit gemeint sein, wenn die Auguren immerzu von der alles umwälzenden Digitalisierung sprechen. Wirecard, so der Name des neuen Dax-Mitglieds, ist ein Kind des sogenannten Dotcom-Hypes zur Jahrtausendwende. Heute macht das Unternehmen mit 5000 Leuten 1,5 Milliarden Euro Umsatz (die Commerzbank kommt auf 14 Milliarden mit 50.000 Leuten). Bloß: Während der Aktienkurs von Wirecard allein in diesem Jahr um 80 Prozent gestiegen ist, hat die Commerzbank rund ein Drittel verloren.

Überraschend ist das alles nicht, denn natürlich sind die klassischen Banken mit ihrem bisherigen Geschäftsmodell nicht wirklich gerüstet für die Zukunft. Momentan reagieren sie noch mit den üblichen Mitteln: Filialen werden geschlossen, Mitarbeiter entlassen. Dort aber, wo sie hinmüssten, in die digitale Welt, da sind schon andere - sogenannte Fintechs eben. Und die sagen: Für eine Überweisung von A nach B braucht man keine Bank, sondern allein eine attraktive App. So also bleibt den großen Häusern nichts anderes übrig, als sich anders aufzustellen. Als Finanzier des deutschen Mittelstandes zum Beispiel.

Die Banken sind nicht allein

Aber mit ihrem Schicksal stehen die deutschen Großbanken ja nicht alleine da. Im Sommer erwischte es beispielsweise die US-Industrie-Ikone General Electric. Vor 13 Jahren noch das wertvollste Unternehmen der Welt, flog GE im Juni aus dem Wall-Street-Index Dow Jones. Dort war GE seit 111 Jahren ununterbrochen gelistet, war ein Gründungsmitglied. Die wertvollsten heute: Apple und Amazon. Beide haben gerade eine Schallmauer durchbrochen, sind an der Börse jetzt mehr als eine Billion Dollar wert. So ist das mit der Digitalisierung: Du fängst an, Bücher zu verschicken und bist irgendwann der reichste Mensch der Welt. Oder denkst Dir einen Algorithmus aus und beherrschst mit deiner Suchmaschine 20 Jahre später das Internet. Aber wer weiß: Vielleicht tüfteln gerade irgendwo in einer Garage ein paar Leute am nächsten großen Ding. Es gibt keine Garantie dafür, dass Amazon oder Google in zehn Jahren noch die ganz große Nummer sind.

Was das alles mit den deutschen Banken zu tun hat? Eine Menge. Sie haben es noch in der Hand, sich selber aus der Misere zu befreien. Dafür braucht es aber radikale Ideen, eine Menge Knowhow und noch mehr Mut. Sonst ist der Abstieg aus Eurostoxx oder Dax nur der Vorbote eines schleichenden Todes.          

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Henrik Böhme Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Auto- und Finanzbranche@Henrik58