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Politik

Gute Wahl in schwierigen Zeiten

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Ines Pohl
16. Juli 2019

Bis zum Schluss war unklar, ob Ursula von der Leyen zur EU-Kommissionspräsidentin gewählt würde. Den Ausschlag gab ihre sehr gute Bewerbungsrede - und der Mangel an Alternativen, meint DW-Chefredakteurin Ines Pohl.

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Frankreich Wahl zur EU-Kommissionspräsidentin | Ursula von der Leyen | Rede nach Bestätigung
Bild: Reuters/V. Kessler

Es gibt auch in Internetzeiten wie diesen noch Momente, in denen das gesprochene Wort den Ausschlag gibt. Das hat Ursula von der Leyen am Dienstag im Europaparlament in Straßburg gezeigt. Auch wenn in Parlamenten eigentlich das "parler", das Reden also, die höchste Kunst sein sollte, ist es meistens so, dass Entscheidungen feststehen, bevor das erste Argument ausgetauscht ist. Dieses Mal war es anders: Es war ein Tag, an dem für die deutsche Kandidatin alles möglich war. Sie musste auf der großen und manchmal verwirrenden Bühne des Europaparlaments bestehen. Sie musste Skeptiker gewinnen, Gefolgsleute bestärken, Gegnern mit trefflichen Angeboten den Wind aus den Segeln nehmen. Und sie musste für einen europäischen Moment sorgen.

Feministisch, sozial und grün

Das alles hat Ursula von der Leyen - wenn auch am Ende mit einer hauchdünnen Mehrheit von nur neun Stimmen - geschafft. Die überzeugte Feministin präsentierte sich sozialer und grüner als es vielen ihrer konservativen Parteifreunde lieb gewesen sein durfte - und spielte zudem ganz selbstbewusst und souverän die Frauenkarte. Vielleicht war ihr bester Einfall, die Rede in drei Sprachen zu halten. Französisch für das Gefühl einer EU mit neuem Elan und Bürgerbeteiligung, Englisch für die harten Fakten und  Forderungen - nach höheren Steuern für die neuen Giganten der Weltwirtschaft und nach einer wirklichen Gleichberechtigung der Geschlechter. Deutsch wählte sie dann für den emotionalen Schluss, bei dem die in Brüssel geborene Politikerin ihre Biographie als wie gemalt für eine europäische Karriere verkaufte.

Eindeutig die zweite Wahl

Es ist kein Geheimnis, dass von der Leyen für diesen Posten nur zweite Wahl war. Sie wusste, dass sie mit Geschick, Weltläufigkeit und einer ziemlich perfekten Inszenierung gegen diesen Nachteil ankämpfen musste. Sie hätte alles verlieren können. Aber sie hat überrascht und aus dem Nachteil einen Vorteil gemacht. Sie hat den Anti-Europäern und den Aussteigern die kalte Schulter gezeigt und ihre Provokationen lässig gekontert. Diesen Kurs muss sie klar und konsequent weiterverfolgen und die rechte Flanke schließen. Das alles garantiert noch keine gelungene Kommissionspräsidentschaft, aber es ist ein guter Anfang und ein guter Tag für das Europäische Parlament, das eine wirkliche Wahl hatte. 

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DW-Chefredakteurin Ines PohlBild: DW/P. Böll

Die größte Verliererin dieses Wahltages sind die deutschen Europaabgeordneten der Sozialdemokraten. Prinzipientreue proklamierend, hielten sie bis zum Schluss an der Vereinbarung fest, dass nur ein Spitzenkandidat EU-Kommissionschef werden sollte. Dass dafür keine Mehrheit gefunden worden war, spielte dabei keine Rolle. Auch nicht, dass die EU wohl in eine ernsthafte Krise geschlittert wäre, wenn sich von der Leyen nicht durchgesetzt hätte.

Das Parlament hat gesprochen. Und es hat sich mehrheitlich dafür entschieden, dass Politik am Ende doch die Kunst des Machbaren ist. 

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Ines Pohl Büroleiterin DW Studio Washington@inespohl