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Politik

Erfolgsmodell mit begrenzter Haltbarkeit

Peter Philipp Kommentarbild APP PROVISORISCH
Peter Philipp
30. Mai 2019

In Israel stehen die nächsten Neuwahlen an. Benjamin Netanjahu gibt seinem politischen Widersacher Lieberman die Schuld dafür. In Wirklichkeit schütze der Premier aber nur seine eigenen Interessen, meint Peter Philipp.

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Symbolbild Neuwahlen in Israel
Bild: AFP/Getty Images/J. Guez

Vom Jubel in seiner Siegesrede nach den Wahlen vom April ist dem israelischen Premier diesmal aber auch gar nichts geblieben. Knapp sechs Wochen später musste Benjamin Netanjahu zumindest indirekt einräumen, dass es ihm nicht gelungen ist, eine arbeitsfähige Koalition zu bilden. Statt nun aber den Auftrag der Regierungsbildung an Präsident Rivlin zurückzugeben, hatte der findige "Bibi" (wie er im Volksmund heißt) bereits die Weichen gestellt, um auch diese Krise zu überstehen: Im Eilverfahren stimmte eine Mehrheit der Knesset-Abgeordneten für die Auslösung des Parlaments und die Abhaltung von Neuwahlen am 17. September.

Diese zweite Wahl innerhalb von sechs Monaten sei Verschwendung von Abermillionen, schimpfte Netanjahu und schaltete damit bereits wieder in den Wahlkampfmodus. Denn er hatte den Schuldigen  längst ausgemacht: Avigdor Lieberman, der Führer der überwiegend aus russischen Einwanderern bestehenden Partei  "Israel Beitenu" ("Unser Haus Israel") habe es darauf angelegt gehabt, die Regierungsbildung zu verhindern.

Wehrdienst für Ultraorthodoxe?

Der Geschmähte war freilich mit seinen fünf Abgeordneten gerade der "Königsmacher", den "Bibi" für die notwendige Mehrheit von über 61 Mandaten brauchte. Dessen ist sich Lieberman natürlich bewusst und entsprechend war sein Auftreten. Er hält an seiner zentralen Forderung fest, dass auch ultraorthodoxe Juden den Wehrdienst ableisten müssen. Davon sind sie seit Staatsgründung befreit. Hätte Netanjahu zugestimmt, hätte er seine orthodoxen Koalitionspartner verärgert und zum Rückzug gezwungen. Ohne sie aber hat er ebenso wenig eine Mehrheit wie ohne Lieberman.

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Peter Philipp war viele Jahre DW-Nahostkorrespondent Bild: DW

Immer wieder ist das Thema "Orthodoxe und Militär" in Israel zum Streitthema geworden, die weltlichen Parteien haben sich aber immer gescheut, klare und weitreichende Entscheidungen zu treffen, denn bei einer Sperrklausel von nur 3,25 Prozent kommen die religiösen und orthodoxen Parteien immer ins Parlament und sind bisher auch immer an Regierungen beteiligt gewesen.

Neuwahlen als Schutz

Statt diese Dinge beim Namen zu nennen, verteufelt Netanjahu nun Lieberman als "Linken", der in seiner Regierung nichts verloren habe. Abgesehen davon, dass diese Behauptung falsch ist, soll damit auch verdeckt werden, dass Netanjahu wiederum seine eigenen Interessen in den Vordergrund stellt: Er hatte gehofft, die jetzt nicht zustande gekommene Koalition dazu einsetzen zu können, ein Gesetz durch zu bringen, nach dem amtierende Ministerpräsidenten Schutz vor juristischer Verfolgung genießen. Zum Beispiel er selbst, gegen den seit langem wegen Korruption und ähnlichen Delikten Untersuchungen laufen. Der Oberstaatsanwalt hatte noch vor den letzten Wahlen eine Klage-Erhebung für möglich erklärt und diese vom Ergebnis einer Anhörung Netanjahus abhängig gemacht, die nun für Anfang Oktober anberaumt ist.

Wäre es Netanjahu jetzt gelungen, eine Regierung zu bilden, dann hätte er die kommenden Monate dazu genutzt, einen juristischen Schutzwall aufzubauen, der ihn vor einem Gerichtsverfahren  bewahren soll. Und dies dürfte auch die Eile erklären, mit der Netanjahu nun den Beschluss zu Neuwahlen durchgedrückt hat, statt den Auftrag zur Regierungsbildung zurückzugeben. Jetzt steht er einer Übergangsregierung vor, aus der keiner zurücktreten und auch niemand entlassen werden kann. Gleichwohl dürfte eine solche Regierung allerdings auch nicht in der Lage sein, den von ihrem Premier erhofften Schutz vor der Justiz durchzudrücken.

Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass "Bibi" sich seiner strategisch-taktischen Erfolge der letzten Tage nicht wirklich erfreuen kann. Auch er dürfte ahnen, dass das "Erfolgsmodell Netanjahu" in die Jahre gekommen ist und nur noch von begrenzter Dauer sein dürfte.