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Es geht um die Akzeptanz der Demokratie

Thofern Uta 62 Latin Berlin 201503 18
Uta Thofern
7. September 2015

Der Expertenbericht zum Verschwinden der 43 Studenten von Iguala offenbart nicht nur das Versagen der staatlichen Ermittler, sondern auch das Desinteresse der mexikanischen Regierung, meint Uta Thofern.

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43 Studenten vermisst - Protest vor der deutschen Botschaft in Mexiko-Stadt
Bild: picture-alliance/AP Photo/Marco Ugarte

Dass die Experten der interamerikanischen Menschenrechtskommission CIDH die offizielle Darstellung der Ereignisse von Iguala für unhaltbar erklären, kann niemanden überraschen. Forensiker meldeten schon vor Monaten Zweifel an der Version der Staatsanwaltschaft an, die Angehörigen der Verschwundenen hatten sie sofort rundheraus abgelehnt. Die nationale Menschenrechtskommission Mexikos warf den Ermittlern gravierende Versäumnisse vor, und die CIDH-Experten selbst beklagten sich erst vor wenigen Wochen über mangelnde Unterstützung ihrer Arbeit.

Bloß nicht noch mehr Staub aufwirbeln

Auch das Reaktionsmuster der Staatsmacht ist bekannt: Geradezu aufreizende bürokratische Gelassenheit. Im liberalen Mexiko geht alles seinen sozialistischen Gang. Diesmal teilt der Präsident also mit, dass die Erkenntnisse der Expertengruppe bei den weiteren Ermittlungen berücksichtigt werden sollen - via Twitter. Eine Pressekonferenz ist das Thema offensichtlich nicht wert. Bloß nicht noch mehr Staub aufwirbeln, das scheint zum Motto der mexikanischen Bundesregierung unter Führung von Enrique Peña Nieto geworden zu sein.

Aber Iguala ist mehr als ein besonders tragischer Fall von Vermissten unter vielen. Genau diese Sichtweise ist ja der Skandal! Wenn das Verbrechen in einer Gesellschaft zur Alltäglichkeit wird und die Straflosigkeit zum Normalfall, dann wird der Rechtsstaat zum Fiktion und die Demokratie zur Illusion - jedenfalls für die Mehrheit, die sich keine Leibwächter leisten kann und sich für Reichtum und Sicherheit auch nicht korrumpiert. Oder noch nicht einmal die Möglichkeit hat, sich bestechen zu lassen. Dafür steht Iguala.

Deutsche Welle Uta Thofern
Uta Thofern leitet die Lateinamerika-Programme der DWBild: Bettina Volke Fotografie

Die 43 Studenten sind zum Symbol geworden. Zum Symbol für fast 25.000 weitere Verschwundene, für zahllose andere ungesühnte Verbrechen, für Korruption, Gewalt, Morde an Journalisten, für die Toten des Drogenkriegs von Peña Nietos Vorgänger und für alle wirklichen und vermeintlichen Versäumnisse seiner eigenen Regierung. Der Präsident findet das sicherlich ungerecht und das ist es in Teilen auch - aber er muss es endlich in seiner gesamten Tragweite zur Kenntnis nehmen.

Mexiko braucht Hilfe

Peña Nietos Wirtschafts- und Bildungsreformen nützen in dieser Krise nichts, und die Gesetze, mit denen seine Regierung in den vergangenen Monaten versucht hat, sie in den Griff zu bekommen, sind ohne einen vertrauenswürdigen Justiz- und Sicherheitsapparat so gut wie wirkungslos. Mexiko braucht Hilfe statt Imagepflege. Nationalstolz ist in dieser Situation fehl am Platz, die Regierung sollte die Vereinten Nationen um Unterstützung bitten. Auch die geplante Sicherheitspartnerschaft mit Deutschland kann helfen, wäre aber im Rahmen einer internationalen Aktion - zum Beispiel nach dem Muster der Internationalen Kommission gegen Straflosigkeit im benachbarten Guatemala - viel besser umzusetzen.

Iguala war der Tropfen, der ein riesiges Fass zum Überlaufen gebracht hat. Inzwischen symbolisiert dieser Fall alles, was in Mexiko seit Jahrzehnten dramatisch schief läuft. Ein großer Teil der Zivilgesellschaft hat sich dagegen erhoben, aber bisher kein politisches Ventil gefunden. Mittlerweile ist die Glaubwürdigkeit der Politik so tief gesunken, dass keine Partei mehr das Vertrauen der Verzweifelten findet. Iguala bedeutet auch dies: Mit diesem Fall steht und fällt die Akzeptanz der Demokratie in Mexiko. Das ist die Wahrheit, der sich die Regierung stellen muss.

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Thofern Uta 62 Latin Berlin 201503 18
Uta Thofern Leiterin Lateinamerika-Redaktionen, Schwerpunkt Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte