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Politik

EU geht bis auf Weiteres nur mit Merkel

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
21. November 2016

Europa braucht nicht Merkel, sondern ein stabiles, führungsfähiges Deutschland. Dafür steht die Kanzlerin. Deshalb wird sie noch gebraucht, meint Bernd Riegert.

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Angela Merkel kandidiert erneut
Bild: Getty Images/S. Gallup

Sie hat einen großen Vorteil. Sie war schon immer da. Wenigstens gefühlt. Kein anderer europäischer Regierungschef ist länger im Amt als Angela Merkel. Die Mays, Renzis, Rajoys, Tsiprasse und Hollandes kommen und gehen. Europas einflussreichste Politikerin ist immer noch da. Wie ein Fels in der Brandung des Populismus und immer mehr aufkeimenden Nationalismus in den Nachbarländern steht sie da. Noch. Sie will vier weitere Jahre das Bollwerk geben und europäische Kompromisse schmieden. Eine in diesen Krisenzeiten unschätzbar wichtige Fähigkeit.

Doch wie lange wird das noch gut gehen? Wie lange wird ihre unprätentiöse, ja mitunter leidenschaftslose Art, die EU zu regieren noch ausreichen? In Spanien, Italien, den Niederlanden, Dänemark, ja selbst in Griechenland sind sich die Regierenden einig, dass ohne Merkel Europa nichts zu regeln ist. In Polen, Österreich, Ungarn, Großbritannien und vielleicht auch bald Frankreich sieht man das anders. Dort wird Madame Merkel zum Beispiel als Hindernis angesehen, die Flüchtlingskrise mit der Vollendung der Festung Europa endlich zu beenden.

Noch wird Merkel gebraucht

Den wachsenden Populismus vor allem von rechts wie in Frankreich und den Niederlanden, aber auch von links wie in Italien wird die ewige Kanzlerin nicht alleine abwehren können. Denn sie hat ja auch im eigenen Land ein wachsendes Problem. Für die Anhänger der "Alternative für Deutschland" (AfD) ist Merkel eben nicht ohne Alternative. Im Gegenteil, sie ist für die rechten Pöbler das Hassobjekt Nummer eins. Wenn sie also verhindern will, dass der "Trump-Effekt" auch in Deutschland greift und die europafeindlichen, nationalistischen Unzufriedenen zu mächtig werden, dann muss sie sich etwas einfallen lassen. Und dazu braucht sie die übrigen Europäer.

Riegert Bernd Kommentarbild App
Europa-Korrespondent Bernd Riegert

Die EU muss einen erkennbaren Mehrwert liefern, sonst wird sie für Merkel im Bundestagswahlkampf nicht zur Lust sondern zur Last. Der schlingernde Brexit, der unkalkulierbare US-Präsident Donald Trump und vor allem der unberechenbar scheinende russische Präsident Waldimir Putin können die Handlungsfähigkeit der EU sehr stark einschränken und die Solidarität der Europäer auf harte Proben stellen. Die Kanzlerin muss an vielen politischen Fronten gleichzeitig kämpfen. Wie verhält sich die EU mit Merkel vorne weg, wenn sich Trump und Putin auf "pragmatische" Kooperationen einlassen? Das wird verdammt schwer.

Im Klub der Machos

Und dann ist da auch noch der Autokrat Recep Tayyip Erdogan, dessen Kooperation Merkel braucht. Nur mit der Türkei funktioniert das Abschrecken und Zurückhalten der Flüchtlinge an der Südostgrenze Europas. Längst ist die Kanzlerin von Durchwinken auf Abschotten umgeschwenkt. Das will sie mit Hilfe Italiens und der nordafrikanischen Staaten auch bald im zentralen Mittelmeer umsetzen. Nur so kann sie der Anti-Migrations-Partei AfD das Wasser abgraben und die bayrische Schwesterpartei CSU bei der Stange halten.

Ein bloßes "Weiter so!" wird Angela Merkel in den nächsten fünf Jahren, sollte sie die Wahl gewinnen, nicht ausreichen. "Weiter so!" konnte den Aufstieg der Populisten bis heute nicht verhindern. Sie muss neue Ideen entwickeln, um gegen Verdrossenheit, Fremdenfeindlichkeit, Ignoranz und den Klub der Machos von Washington über Moskau bis Ankara vorzugehen. Vielleicht kann sie es schaffen. Sicher ist das nicht. Es geht auch nicht so sehr um Merkel als Person. Nötig ist viel mehr ein stabiler europäischer Anker in der Mitte. Ein stabiles, wirtschaftlich erfolgreiches, offenes Deutschland. Und dafür steht Angela Merkel noch.

Sollte aber Frankreich im Mai 2017 bei der Präsidentenwahl den Rechtspopulisten vom "Front National" anheimfallen, dann ist es vorbei. Gegen ein nationalistisch gesinntes Frankreich könnte selbst eine starke Frau wie Angela Merkel nichts in Europa ausrichten. Le Pen und Merkel? Rien ne va plus.

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Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union