EU und CETA: Ende gut, alles gut?
Nach dem guten Ende des wallonischen Polit-Theaters um die Zustimmung zum Handelsabkommen CETA ließ Brüssel nichts anbrennen: In Windeseile holte die EU das ausgefallene Gipfeltreffen mit Kanada nach. Sonst wäre in letzter Minute vielleicht noch jemand mit neuen Einwänden um die Ecke gekommen. Dabei wird der Ratifizierungsprozess sowieso noch dauern, aber man hat es immerhin geschafft, die ersten Unterschriften auf den Vertrag zu setzen.
Was ging hier schief?
Leider ist die Affäre kein Fall von Ende gut, alles gut. Denn die Europäer müssen aus dem knapp verhinderten Debakel lernen. Natürlich hat hier in erster Linie die belgische Zentralregierung versagt, die längst wusste, dass die Wallonie sich quer stellen und die komplexen staatlichen Strukturen in Belgien für ihren Widerstand nutzen würde.
Aber auch die EU-Kommission hatte es längst gewusst. Darüber hinaus konnte sie von ihren eigenen Fenstern aus die Globalisierungskritiker sehen, die auch mitten im Europaviertel laut ihren Protest gegen Handelsabkommen zeigten. Dass Unruhe in der Luft lag, war längst klar. Aber niemand kam auf die Idee, rechtzeitig Bedenken und Einwände anzuhören, und sie so weit wie möglich in die Verhandlungen einzubeziehen. Die Totalverweigerer sind damit nicht zu überzeugen, aber das Schauspiel um die Wallonie hätte sich so vermeiden lassen.
Nächster Akt in den Niederlanden
Viel schwieriger wird es im nächsten Akt der Krisenbewältigung. Wenn die Niederlande nach ihrem gescheiterten Referendum vom Frühjahr ihre Zustimmung zum Ukraine-Assoziierungsabkommen zurückziehen, droht Europa ein viel größeres außen- und sicherheitspolitisches Desaster. Wir können die Ukraine nicht allein lassen und dem russischen Staatschef Putin diesen Sieg nicht gönnen.
Der hat übrigens kräftig geholfen, die giftige Propaganda seines rechtsextremen Helfershelfers Gerd Wilders zu unterstützen. Die Ukrainer würden demnächst vor der Tür stehen und als frischgebackene EU-Mitglieder das Geld der Niederländer verprassen - so ungefähr tönte dessen Polemik. Und genug Bürger schenkten der Desinformation Glauben oder hatten aus anderen Gründen ein Hühnchen mit ihrer Regierung zu rupfen.
So geht es nicht weiter
Europa stolpert von Krise zu Krise und verliert immer mehr an Handlungsfähigkeit. Und alle Mitspieler tragen mit Schuld daran: Die Regeln in den Niederlanden für Referenden sind zum Beispiel absurd. Es fehlt ein vernünftiges Quorum, um den Missbrauch zu stoppen.
Außerdem führte die Regierung in Den Haag eine blasse Kampagne und Brüssel mischte sich wie üblich nicht ein. Aber so kann es nicht weiter gehen, denn damit wird die EU Schritt für Schritt ausgebremst. Die Zukunft Europas kann nicht an einzelnen schwächelnden Ministerpräsidenten hängen.
Und dieses Knäuel von Problemen: Der generelle Vertrauensverlust in die Politik, die jüngsten Erfolge rechter Propaganda, die Wiederkehr von Nationalismus und dem dazugehörigen Egoismus kann nicht in Brüssel allein gelöst werden. Der Schlüssel liegt bei allen 27 verbleibenden Mitgliedsstaaten, wo sich jeder fragen muss, wie wichtig ihm Europa ist. Und wie viel er sich zu seiner Verteidigung engagieren will. Sonst kann in ein paar Jahren der Letzte in Brüssel das Licht ausmachen.
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