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Für ein Impfrecht der Kinder

13. März 2019

Masern sind wieder auf dem Vormarsch, weil Eltern ihre Kinder nicht impfen lassen. Doch wenn nicht-geimpfte Kinder vom Schulbesuch ausgeschlossen werden, sind sie gleich zweifach bestraft, meint Fabian Schmidt.

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Ein Mediziner impft ein Kind in Pakistan gegen Masern.
Kinder brauchen lebenswichtige Grundimmunisierungen, egal was die Eltern davon haltenBild: Imago/Xinhua

In diesen Wochen häufen sich wieder die Berichte von Masernausbrüchen. UNICEF berichtet, dass die lebensgefährliche Infektionskrankheit in fast 100 Ländern auf dem Vormarsch ist.

Besonders schwer betroffen sind Kriegs- und Krisengebiete wie etwa der Jemen oder Venezuela. Aber auch in industrialisierten Staaten wie der Ukraine, den Philippinen, Brasilien oder Serbien und in friedlichen Regionen wie Madagaskar gibt es derzeit Epidemien. Selbst aus Neuseeland und zuletzt dem deutschen Hildesheim wurden in den vergangenen Tagen Fälle gemeldet.

Dabei muss das nicht sein, denn die reguläre Masernimpfung, die in zwei Grundimmunisierungen nach dem ersten Lebensjahr verabreicht werden sollte, schützt ein ganzes Leben lang. 

Mehr dazu: Warum Masern so gefährlich sind

Keine Toleranz für ideologische Verbohrtheit

Ausgerechnet in entwickelten Ländern wie Deutschland ist das leider keine Selbstverständlichkeit. Einige Eltern haben ideologische Vorbehalte gegen Impfungen. Und die derzeitige Rechtslage überlässt ihnen auch noch die freie Entscheidung, ob ihre Kinder geimpft werden oder nicht.

Solche Menschen erlauben sich die reinste Luxus-Arroganz. Denn sie gehen davon aus, dass ein ausreichender Impfschutz der restlichen Bevölkerung ihnen und ihren Kindern zugute kommt. 

Das ist eitel und egoistisch und führt dann zu Situationen wie in Hildesheim, wo nicht geimpfte Kinder vom Schulbesuch oder auch vom Besuch eines Kindergartens ausgeschlossen werden müssen. 

Mehr dazu:  Impfbefürworter und -gegner bekriegen sich im Netz

Schmidt Fabian Kommentarbild App
DW-Wissenschaftsredakteur Fabian Schmidt

Und so verstoßen die dafür verantwortlichen Erwachsenen gleich in zweierlei Hinsicht gegen universelle Menschenrechte ihrer Kinder: gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit und gegen das Recht auf Bildung. Erstens, weil eine Maserninfektion tödlich enden oder auch schwere lebenslange Folgen haben kann. Zweitens, weil Kinder, die nicht geimpft sind, vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden. 

Ärzte besser vor Klagen schützen

Das ganze wird nur möglich durch eine völlig paradoxe Rechtsprechung, die vor allem den Ärzten den "Schwarzen Peter" zuschiebt. Eine Impfung gilt nämlich als "Körperverletzung" durch den Arzt, falls ein Impfschaden eintritt und der verantwortliche Mediziner die Eltern des geimpften Kindes zuvor nicht umfassend über die Risiken aufgeklärt hat.

Erkrankt ein Kind aber an Masern, hat der Arzt gleichermaßen eine Körperverletzung begangen, weil er nicht geimpft hat und vielleicht die Eltern nicht eindringlich genug vor den schweren möglichen Folgen einer Nicht-Impfung gewarnt hat. 

Leidtragende der Situation sind natürlich erstens die Kinder, die sich selbst nicht schützen können, aber eben auch die Ärzte, die sich viel zu schnell den Vorwurf gefallen lassen müssen nicht ausreichend aufgeklärt zu haben. 

Karikatur | Sergey Elkin | Impfungen Gegner/Vaccination opponents (deutsch)

Impfrecht geht nur mit Impfpflicht

Solch ein rechtliches Durcheinander schafft weder Sicherheit bei Ärzten, die sich mit sturen Eltern herumschlagen müssen, noch bei Lehrern, die Ansteckungen in ihren Schulen vermeiden wollen. Noch schlimmer: Es bestärkt sogar noch die Impfkritiker in ihrer irrationalen Ideologie. Sie sehen nämlich nur den Teil  der Pro- und Contra-Argumente für Impfungen, von dem sie ohnehin schon überzeugt sind.

Dagegen kann es nur eine Lösung geben: Grundimmunisierungen gegen die häufigsten und gefährlichsten Krankheiten sind ein Menschenrecht. Selbst Eltern dürfen sie ihren Kindern nicht vorenthalten. Daher ist eine allgemeine Impfpflicht zum Wohl der Kinder  dringend geboten. Und Ärzte müssen von der Haftung bei Impfschäden freigestellt werden, wenn sie dieses Impfrecht der Kinder umsetzen.

Geht es gar nicht anders, müssen zur Not Amtsärzte in den Schulen impfen. Welche Impfungen darunter fallen müssen, ist auch klar: Alle, die im Impfkalender der ständigen Impfkommission aufgeführt sind - ohne Ausnahme. 

Mehr dazu: Riesige Polio-Impfkampagne in Pakistan gestartet