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Fankultur heißt auch Verantwortung

Joscha Weber Bonn 9577
Joscha Weber
13. Februar 2017

Der BVB akzeptiert zähneknirschend die Sperre der Südtribüne. Das Murren über die pauschale Sanktion ist verständlich, meint Joscha Weber, aber die Strafe ist richtig - und eine Chance.

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Fußball Bundesliga FSV Mainz 05 vs. Borussia Dortmund
Bild: picture-alliance/dpa/T. Silz

Es ist ein kaum zu beschreibendes Gefühl. Der Boden unter den Füßen beginnt zu vibrieren. Die Schwingungen werden immer stärker, das Vibrieren wird zu einem Beben. Hunderte Tonnen Beton erzittern - und das alles, weil ein paar Menschen sich freuen. Gut, ein paar Menschen ist untertrieben: 25.000 Männer, Frauen und auch Jugendliche hüpfen, stampfen und bringen damit die größte Stehplatztribüne Europas spürbar in Bewegung. Wer die Vibration, den Lärm, die Leidenschaft, die Hingabe, die Emotionen auf der Dortmunder Südtribüne einmal erlebt hat, weiß, warum dieser Ort von Fußballfans aus ganz Europa als einmaliger Ort der Fankultur gewürdigt wird.

Doch diese einmalige Fankultur ist in Gefahr. Nicht, weil Borussia Dortmund am kommenden Samstag für die Bundesliga-Partie gegen Wolfsburg vor einer leeren Südtribüne spielen muss. Dies wird dem Verein, der eine besonders innige Beziehung zu seinen Fans pflegt, zwar weh tun, aber es wird ihn nicht umhauen. Auch die 100.000 Euro Strafe sind für den Champions-League-Teilnehmer BVB kein Problem - das allerdings steht und singt auf der Südtribüne und nennt sich "Fan".

Weber Joscha Kommentarbild
DW-Sportredakteur Joscha Weber

Das Dortmunder Hooligan-Problem

Richtig ist: Die allermeisten Dortmunder Anhänger sind friedliche Fußballfans, die aus Freude am Spiel zu den Partien der Borussia gehen. Zu Tausenden kommentierten sie in den sozialen Netzwerken die verunglimpfenden Spruchbänder im Spiel gegen RB Leipzig - und distanzierten sich klar davon. Diese Fans trifft die Strafe zu Unrecht. Richtig ist aber auch: Dortmund hat ein Fanproblem. Denn unter diese Mehrheit hat sich längst eine kleine, aber lautstarke Minderheit radikaler Personen gemischt, die Gegner beleidigen, andere Fans tätlich angreifen und teilweise rechtsradikale und menschenverachtende Parolen rufen. Diese selbsternannten "Fans", die in Wahrheit Hooligans sind, bilden eine doppelte Gefahr: Sie beschädigen das Image von einem der beliebtesten Vereine Deutschlands und sie spalten die BVB-Anhängerschaft.

Viele distanzieren sich, andere haben sich solidarisiert. Beim Leipzig-Spiel war jedenfalls kein Protest gegen die beleidigenden und verletzenden Spruchbänder erkennbar, erst später in den sozialen Netzwerken. Eine Erklärung könnte sein, dass viele Fans von Einschüchterungen durch die radikalen Gruppen auf der Südtribüne berichten, sich deshalb nicht mehr dorthin wagen. Auch Ordner sollen bei den Einlasskontrollen, die eigentlich Pyrotechnik, Waffen und beleidigende Spruchbänder sicherstellen sollen, mehr als nur ein Auge zugedrückt haben. Die Sperre der Tribüne ist die Chance, die Dinge jetzt zu ändern.

Die Südtribüne muss jetzt zurückerobert werden

Die friedlichen BVB-Fans müssen jetzt um ihre Fankultur kämpfen. Sie müssen gemeinsam mit dem Verein mehr tun, um gewaltbereite Gruppen wie "0231 Riot" und "Northside" zu isolieren und auszuschließen. Dortmund steht jetzt unter verschärfter Beobachtung - zu Recht. Wenn der BVB sein Hooliganproblem nicht löst, drohen demnächst ganze Geisterspiele. So weit sollte es nicht kommen. Es ist an der Zeit, dass die wahren Fans die Südtribüne zurückerobern.