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Frankreich ergibt sich den rechten Verführern

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
7. Dezember 2015

Der rechtsextreme Front National liegt bei den französischen Regionalwahlen erstmals landesweit vorn. Marine Le Pens politischen Rezepte aber sind eine Gefahr - nicht nur für Frankreich, meint Barbara Wesel.

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Frankreich Erste Runde der Regionalwahlen 2015 Marine Le Pen
Bild: Reuters/P. Rossignol

Der Aufstieg des Front National in Frankreich verläuft wie aus dem Lehrbuch. Ganz nach der Devise: Wie mache ich eine rechtsextreme Partei gesellschaftsfähig? Der erste Platz bei den Regionalwahlen ist das Meisterstück von Parteichefin Marine Le Pen. Man bediene ungehemmt die Ressentiments der Wähler, mäßige die Rhetorik gerade so weit, dass sie juristisch nicht angreifbar ist, lasse dazu reichlich Fahnen schwenken und reklamiere für sich das Etikett der einzig wahren Patrioten.

Rückkehr der Rechtsextremen in Europa

Man soll mit historischen Vergleichen immer vorsichtig sein. Aber vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte krampft sich doch der Magen zusammen. Ist der Front National und sind die Kaczynski-Nationalisten, die jetzt in Polen an die Macht kamen, ähnlich gefährlich wie die deutschen Faschisten in den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts? Sie sind es wohl noch nicht, können es aber potenziell sein. Zu sehr ähneln sich die Muster: Die Ausgrenzung einer gesellschaftlichen Gruppe, die Fremdenfeindlichkeit, der Nationalismus als Bindemittel. In Frankreich dienen jetzt die Muslime als gesellschaftliche Sündenböcke, die die Identität der "wahren Franzosen" gefährden und bekämpft werden müssen. So weit, so furchtbar ähnlich. Man darf Marine Le Pen nicht auf den Leim gehen, sie ist keine Demokratin, ihre Partei ist nicht harmlos, sondern hochgefährlich. Und ihr einziges Ziel ist die Macht in Frankreich.

Was treibt die Franzosen in den politischen Suizid?

Aus einem Blickwinkel kann man die Frustration der französischen Wähler verstehen. Die bisher starken Parteien, Sozialisten und Republikaner, sind volksfern und unglaubwürdig geworden durch eine endlose Kette von Skandalen. Es gibt ein echtes Bedürfnis nach einem Wechsel, verstärkt durch die Unfähigkeit von Francois Hollande, die Wirtschaft in Gang und die Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen. Ein großer Teil von Marine Le Pens Wählerstimmen stammt eben von den Verlierern der französischen Gesellschaft und sie behauptet, gerade denen eine Stimme zu geben.

Dabei ist das Wirtschaftsprogramm des Front National blühender Unsinn und seine Versprechen sind haltlos. Die Grenzen zu den Nachbarn zu schließen und aus der EU auszutreten wird keinen Konjunkturschub erzeugen. Ein Frankreich, das sich abriegelt und eine gestrige Idee von nationaler Identität pflegt, wird weder Investoren anziehen noch zum Exportkönig aufsteigen. Und die französischen Bauern werden sich wundern, wenn plötzlich die Subventionen aus Brüssel ausbleiben, an die sie seit Jahrzehnten gewöhnt sind. Auch wird der Front National weder die üppigen Sozialleistungen weiter erhöhen, noch in den verkrusteten Wirtschaftsstrukturen Arbeitsplätze für alle Franzosen schaffen können. Auch ihr Freund Wladimir Putin wird Marine Le Pen dabei nicht helfen können. Für die Europäische Union aber wäre ein von Rechtsextremen regiertes Frankreich das Ende: Deutschland und ein paar Nachbarn müssten sich schließlich auf ein kleines Kerneuropa zurückziehen.

Barbara Wesel Studio Brüssel
Barbara Wesel, Korrespondentin im DW-Studio BrüsselBild: DW/G. Matthes

Regionalwahl ist ein Warnschuss

Marine Le Pen hat ein Ziel und das ist der Elysée Palast. Aber der Weg dahin ist noch weit und vermutlich werden sich 2017 genug Wähler hinter einem Kandidaten der Republikaner versammeln, um ihren Einzug zu verhindern. Aber das Ergebnis dieser Regionalwahl ist ein Warnschuss: Die Franzosen sind anfällig geworden für die Verführung durch die Rechtsextremen und machen sich die Folgen ihrer Entscheidung nicht klar. Es scheint gerade der Rattenfänger-Aspekt, das leicht anrüchige, das sie anzieht. Darüber hinaus wirkt hier wohl einmal mehr die Utopie: Die Idee von einer Zukunft wie jener goldenen Vergangenheit, in der französische Männer stolz, die Frauen schön und alle wohlhabend waren. Dazu wird die Marseillaise gesungen und flattern die rot-weiß-blauen Fahnen im Wind. Es ist ein Gartenlaubenidyll, dem die von der Moderne überforderten Bürger da nachlaufen. Und Parteien wie der Front National wecken solche Emotionen und spielen mit ihnen. Ja, wir haben das alles schon einmal gesehen. Und ja, es ist ausgesprochen beklemmend. Unsere Hoffnung ist, dass die Franzosen sich in den nächsten 18 Monaten daran erinnern, dass sie eigentlich eine vernunftbegabte Nation sind.

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