Geht’s noch?
Die Diesel-Hysterie, die Deutschland ergriffen hat, hat eine neue Dimension erreicht. Um es vorweg zu sagen: Gerichte, die Fahrverbote für ältere Diesel verhängen, sind nicht zu kritisieren - es gibt eben Grenzwerte für Schadstoffe. Und zwar seit Jahren schon. Doch jetzt ist man in Metropolen wie Köln oder Frankfurt völlig ratlos, weil zehntausende Wagen ab dem Frühjahr 2019 im gesamten Stadtgebiet nicht mehr fahren dürfen. Einfach so.
Unüberhörbar die Jubelrufe der Umweltfreunde, die ihren scheinbaren Sieg über Autokonzerne und Autolobby feiern. Endlich haben die mal eins aufs Autodach bekommen, freuen sich die selbsternannten Weltenretter. Wie bitte? Haben die noch alle Sinne beisammen? Denn die Politik des guten Gewissens hat Konsequenzen: Millionen Deutsche müssen auch weiter zur Arbeit - vielfach in die großen Städte. Der freundliche Hinweis, die mögen sich doch nun öfter aufs umfeldfreundliche Fahrrad setzen, geht völlig an der Realität vorbei: Der deutsche Durchschnitts-Pendler hat 17 Kilometer auf dem Tacho, bevor er am Arbeitsplatz ankommt. Da bleibt angesichts von unzuverlässigen, überfüllten und viel zu teuren Bahnen eben doch nur das Auto.
Ein Sieg der Autokonzerne
Die Fahrverbote für alte Wagen sind deswegen kein Sieg über die Autokonzerne, sie sind ein Sieg der Konzerne! Allein in der Stadt Köln sind 110.000 Auto-Besitzer vom künftigen Fahrverbot betroffen - die Pendler aus dem Umland noch nicht einmal mitgezählt. Sie alle müssen sich jetzt einen neuen Wagen kaufen. So sehen Niederlagen aus - und zwar für die normalen Bürger! Die Gerichtsurteile, die derzeit fast im Wochentakt ergehen, sind nichts weniger als eine dreiste Enteignung in einem Umfang, die sich manch früherer Kommunistenführer nicht getraut hätte. Und darüber freuen sich nicht nur die Grünen, sondern auch die Linke. Wie bitte? Wer fährt denn die Autos, die jetzt nur noch kurz genutzt werden können? Börsenmakler? Bankdirektoren?
Nein, die betroffenen Halter der meist älteren Modelle sind beispielsweise Putzfrauen, die für zwölf Euro die Stunde vormittags im Kölner Norden und ab mittags 15 Kilometer weiter im Süden der Stadt Küchen putzen, Hemden bügeln und Klos schrubben. Für die zählt jede Minute. Oder die alleinerziehende Mutter, die ihre Kinder in die Schule bringt und dann ganz schnell zur Arbeit muss. Soll sie demnächst ein Elektroauto fahren? Klar doch! Aber zuerst betet sie zu Gott, dass ihr alter Opel Corsa noch einmal durch den TÜV kommt. Wenn nicht, wäre es für sie nämlich eine mittlere Katastrophe!
In all dem selbstgerechten Jubel der Ökofreunde steckt ein gehöriges Maß an Egoismus: "Die Autos sollen hier nicht fahren dürfen, weil ich nämlich in dieser Stadt wohne! Ich!" Die Probleme von Putzfrauen oder kleinen Handwerkern sind den umweltpolitischen Moralaposteln völlig egal. Ihr Motto: "Ich möchte zwar mitten in einer Metropole leben, aber dazu hätte ich gerne Alpenluft pur."
Dabei wird mit den massenhaften Fahrverboten für Alt-Fahrzeuge das Abgasproblem nur exportiert. Kein Hahn kräht danach, dass abertausende dieser Autos nach Ost- und Südosteuropa, in den Nahen Osten oder nach Afrika "abgeschoben" werden. Dort lacht man sich ins Fäustchen über die "dummen Deutschen". Aber gehören nicht auch Minsk, Belgrad oder Kairo zum selben Planeten, den wir doch ständig retten wollen - dieser Tage wieder in Kattowitz, beim großen Welt-Klimagipfel?
Innovationen auch ohne Verbote
Warum also Fahrverbote? Viele Umwelt-Innovationen der Vergangenheit wurden doch auch ohne diese Zwangsmaßnahme eingeführt. Bleifreies Benzin, Abgas-Katalysatoren, asbestfreie Bremsbeläge - all das ist heute sogar in Kairo selbstverständlich, ohne dass es irgendwo Fahrverbote für Altwagen gegeben hätte.
Mein Wagen ist noch gut in Schuss - Gott sei Dank. Und weil ich keine Ressourcen verschwenden möchte, werde ich auch künftig nicht alle fünf Jahre ein neues Auto kaufen. Denn die Frage ist doch: Welche Euro-Abgasnorm gilt dann eigentlich? Mit jeder neuen Verschärfung brav einen neuen Wagen anschaffen - damit wäre für viele das Problem gelöst. Nur nicht für mich, der ihn bezahlen muss. Der Gebrauchtwagenhändler in Kiew jedoch, der freut sich über diese Logik. Genau wie Volkswagen, BMW und Daimler.