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Kommentar: Gemeinsame Interessen und gegenseitiges Misstrauen

Matthias von Hein22. März 2006

In Peking hat Wladimir Putin seinen Gastgebern den Bau einer Ölpipeline von Russland nach China zugesagt, aber kein verbindliches Abkommen unterschrieben. Matthias von Hein kommentiert.

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Der russische Präsident Wladimir Putin (l.) und der chinesische Premier Wen Jiabao (r.)Bild: AP

Einen "nie zuvor gesehenen Höhepunkt" hätten die Beziehungen zwischen Russland und China erreicht. Das bestätigten sich Chinas Staatspräsident Hu Jintao und Russlands Präsident Wladimir Putin am Dienstag (21.3.2006) noch einmal schriftlich. Die Begegnung in Peking war bereits das fünfte Treffen zwischen den Präsidenten in weniger als einem Jahr.

In vielen Bereichen natürliche Partner

Und in vielen Politikfeldern sind die Supermacht von gestern und die aufsteigende Regionalmacht von morgen tatsächlich natürliche Partner: Der chinesische Wirtschaftsboom und die russischen Rohstofflager ergänzen sich perfekt. Chinesische Rüstungskäufe halten russische Waffenfabriken am Leben. Beide Seiten teilen das gleiche Unbehagen an der amerikanischen Vormachtstellung in der Welt. Beide Seiten haben kein Interesse an demokratischen Revolutionen in Zentralasien.

Generell nähert sich Putins Demokratieverständnis dem Pekings an. Die Reaktionen auf die Wahl in Weißrussland sprechen eine deutliche Sprache: Europa erklärte die Wahl Alexander Lukaschenkos zur Farce, der Kreml hingegen gratulierte. Auf dieser Basis lässt sich auch trefflich über das iranische Atomprogramm sprechen. Hier ziehen Peking und Moskau an einem Strang - sie wollen eine Resolution oder gar die Verhängung von Sanktionen im Weltsicherheitsrat verhindern.

Gastgeschenk verweigert

Je mehr die USA ihre Kooperation mit Japan ausbauen und Indien umwerben, umso enger rücken Russland und China zusammen. Das gemeinsame Militärmanöver im vergangenen August unterstreicht das nur. Aber bei allen Beteuerungen von Freundschaft, Zusammenarbeit oder auch beim Verweis auf die "strategische Partnerschaft" zwischen Moskau und Peking: Ungetrübt sind die bilateralen Beziehungen keineswegs. Das von Peking mehr als alles andere erwünschte Gastgeschenk hat Putin verweigert: Die feste Zusage für den Bau einer Ölpipeline nach China. Zwar versicherte Putin, die Pipeline werde gebaut. Aber mehr als diese verbale Absichtserklärung, ein nichts sagendes Memorandum und die Vereinbarung über eine Machbarkeitsstudie konnten die Chinesen ihm nicht abringen.

Darüber werden aus Pekinger Sicht auch die Vereinbarungen über Erdgaslieferungen nicht hinwegtrösten können. Russland spielt seine Rohstoffkarte sehr geschickt - ob es Peking weh tut oder nicht. Listig ließ Putin in Peking durchblicken, wenn die Chinesen Öl wollten, müssten sie auch andere Produkte aus Russland kaufen - etwa Maschinen und Ausrüstungen. Zugleich will Russland vermeiden, in Abhängigkeit von chinesischen Ölkäufen zu geraten. Da ist ein Ölterminal am Pazifischen Ozean, wo man jeden Kunden bedienen kann, allemal attraktiver als eine Pipeline nach China. Zudem wächst in Russlands Fernem Osten die Angst vor chinesischer "Überfremdung": Noch während Putins Besuch in Peking erklärten russische Beamte in Vladiwostok, die Arbeitslosigkeit in der Region sei wegen des Zuzugs ausländischer Arbeitskräfte in die Höhe geschnellt. Beide Seiten teilen sehr handfeste gemeinsame Interessen. Aber sie teilen gegenseitig ein ebenso tiefes Misstrauen.