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Genversuche am Menschen stoppen!

26. November 2018

Das Ziel war HIV-Resistenz: Vor einigen Wochen sind die ersten künstlich genveränderten Menschen auf die Welt gekommen. Wissenschaftler weltweit müssen diesen Tabubruch mit aller Konsequenz ächten, meint Fabian Schmidt.

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Mikroinjektion
Nur unter dem Mikroskop zu sehen: Manipulation mit dem CRISP/Cas9-Verfahren am Embryo - hier eines ZebrafischesBild: picture-alliance/dpa/Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin

Die Behauptung des Forschers He Jiankui, er habe mit CRISPR/Cas9 genveränderte Embryos per künstlicher Befruchtung erzeugt, diese der Mutter eingepflanzt und die Zwillinge seien gesund zur Welt gekommen, klingt leider genauso glaubwürdig wie gruselig.

Untermauert hat He sie durch zwei Dokumente: einen Antrag an das Ethikkomitee der HarMoniCare Frauenklinik, wo er angeblich die Befruchtung durchgeführt hat und einen Aufklärungsbogen für die betroffene Patientin, in der er den Ablauf genau schildert. 

Ob diese Dokumente nun echt sind oder nicht, und ob das Ethikkomitee tatsächlich seine Zustimmung erteilt hat, soll nun eine Untersuchung klären. Das Krankenhaus hat zunächst einmal bestritten, dass die Befruchtung und Geburt überhaupt dort stattgefunden haben. 

Mehr dazu: EuGH Urteil: Ist CRISPR/Cas9 überhaupt "Gentechnik"?

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DW-Wissenschaftsredakteur Fabian Schmidt

Der Fall lässt alle Alarmglocken läuten!

Egal was am Ende festgestellt wird: Der Fall zeigt, wie dringend sich Mediziner und Biologen weltweit auf verbindliche Standards und Verbots-Mechanismen einigen müssen, damit derartige Experimente nie bzw. nie wieder stattfinden. Nicht zuletzt muss das auch harte Strafen für alle die Mediziner beinhalten, die so etwas tun oder verantworten. Und Forschungseinrichtungen weltweit sollten die Kooperation mit Universitäten und Krankenhäuser auf Eis legen, die sich daran schuldig machen.

Die Argumente liegen auf der Hand. Zunächst ist da die grundsätzliche ethische Signalwirkung: Der Mensch soll nicht Gott spielen. Wollen wir wirklich, dass in Zukunft Designer-Babys auf die Welt kommen, deren Eigenschaften gerade den neuesten Moden entsprechen? Wollen wir eine Gesellschaft, in der es - wie in Aldous Huxley's "Schöner neuer Welt" nach Bedarf produzierte Menschen für unterschiedliche Aufgaben gibt - womöglich differenziert nach sozialen Klassen? Ist das der Abschied vom Grundsatz der Gleichheit aller Menschen? Und was ist mit unserem Verhältnis gegenüber kranken Menschen? Betrachten wir sie in Zukunft nur noch als Fehlgriff der Medizin? Die schlimmsten Erinnerungen an die Verbrechen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erwachen bei dem Gedanken! 

Mehr dazu: Ernst-Jung-Preis für Mikrobiologin Emmanuelle Charpentier

Folgen nicht absehbar

Nicht weniger schwer wiegen die medizinischen Argumente: Ein Eingriff in die menschliche Keimbahn kann immer unvorhersehbare Folgen haben, noch Generationen nach der Geburt eines Kindes. Gerade erst in diesem Jahr wurde festgestellt, dass bei CRISPR/Cas9 Anwendungen immer auch ungewollte Mutationen entstehen. Wer übernimmt die Verantwortung, wenn sich nach drei Generationen - also in etwa 60 Jahren - herausstellt, dass Kinder mit einer schweren Erbkrankheit geboren werden?

Zu guter Letzt ist der Einsatz von CRISPR/Cas9 für solche Zwecke auch noch völlig unnötig. Gegen das HIV-Virus gibt es sehr wirksame antiretrovirale Medikamente, die - wenn konsequent angewandt - sogar verhindern, dass Neugeborene von ihren Eltern infiziert werden. Und auch später im Leben muss AIDS nicht sein: Anstelle HIV-resistente Babys zu züchten, sollte die Weltgemeinschaft lieber in Safer-Sex Aufklärung investieren.

Und wie sieht es mit anderen gefährlichen Erbkrankheiten aus? Auch hier kann CRISPR/Cas9 nicht die Lösung sein. Wenn ein genetisch vorbelastetes Paar ein Kind ohne Erbkrankheiten zur Welt bringen möchte, kann es immer noch auf künstliche Befruchtung zurückgreifen. Vielleicht stammt dann das Erbgut des Kindes nicht unbedingt von beiden leiblichen Eltern - aber sind wir als Vernunftmenschen nicht emanzipiert genug, dass wir so etwas mit unserem Selbstwertgefühl vereinbaren können? Immerhin ist ein Kind von einem fremden Zellspender immer noch besser als eines, das nach einem Eingriff in die Keimbahn vielleicht geschädigt zur Welt kommt.

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Fabian Schmidt Wissenschaftsredakteur mit Blick auf Technik und Erfindungen