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Politik

Gestalten statt Spalten

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Loay Mudhoon
20. März 2018

Bundesinnenminister Seehofer meint, zwischen dem Islam und den deutschen Muslimen trennen zu können. Das ist realitätsfremd. Dieses Land ist schon weiter, als es diese Scheindebatte widerspiegelt, meint Loay Mudhoon.

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Horst Seehofer - Innenminister - Islam und Deutschland
Bild: Imago/Sven Simon/F. Hoermann

"Der Islam gehört nicht zu Deutschland, aber die Muslime, die in diesem Lande leben, gehören selbstverständlich zu Deutschland." Diese Aussage ist eigentlich so abgenutzt und realpolitisch bedeutungslos, dass man ihr eigentlich keine besondere Aufmerksamkeit schenken sollte.

Doch die Verführung des Populismus verleitet nicht wenige Politiker und Meinungsmacher, die immer wiederkehrenden "Islam-Debatten" hierzulande mit dieser symbolpolitisch aufgeladenen Frage zu befeuern.

Dabei sind wir im bundesrepublikanischen Islam-Diskurs schon viel weiter, als solch eine abstrakte und populistisch verkürzte Aussage auf den ersten Blick vermuten lässt. Denn schon vor 13 Jahren wurde vom damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble die erste Deutsche Islamkonferenz einberufen. Und vor fast zehn Jahren wurden die ersten Lehrstühle für islamische Theologie an deutschen Universitäten eingerichtet.

Muslime ohne Islam existieren nicht

Inhaltlich, praktisch und vor allem rechtlich lässt sich die von Seehofer vorgenommene Unterscheidung zwischen Muslimen und dem Islam ohnehin nicht rechtfertigen. Sie ist und bleibt realitätsfremd. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand:

Erstens: Woran Bürgerinnen und Bürger dieses Landes glauben oder auch nicht glauben, bleibt schließlich ihre private Angelegenheit. Die Religion bestimmt nicht die Zugehörigkeit zu unserem Land. Unsere freiheitlich-demokratische Verfassung ist keine Gesinnungsverfassung. Sie ist weltanschaulich neutral und hat sogar eine Schutzpflicht für die Religionsfreiheit, wie für jedes Grundrecht.

Zweitens: Wenn Bürger zu unserer Verfassungsnation gehören, dann gehört automatisch auch ihre Religion dazu. Schließlich lassen sich deutsche Bürgerinnen und Bürger muslimischen Glaubens nicht von ihrer Religion spalten.

Und Drittens: Mit der immer wieder neu gestellten Frage nach Zugehörigkeit oder Nicht-Zugehörigkeit des Islam zu Deutschland verkommen alle Muslime zu einer gesichtslosen, homogenen Masse - sie werden ihrer Individualität beraubt.

Doch deutsche Muslime sind keine Koran-Automaten; die allerwenigsten Muslime hierzulande definieren sich ausschließlich über ihre Religion - auch wenn einige konservative Islamverbände sich bemühen, genau diesen Eindruck zu vermitteln. Hinzu kommt: Identität lässt sich im islamischen Kontext nur im Plural begreifen.

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Loay Mudhoon leitet das Dialogportal qantara.de

Identitätspolitik durch Ausgrenzung

Horst Seehofer betreibt durch die Reaktivierung dieser Scheindebatte eine gefährliche und zugleich klischeehafte Identitätspolitik auf dem Rücken der muslimischen Minderheit.

Diese Politik ist gefährlich, weil sie zu Irritationen und schmerzlichen Identitätsproblemen gerade bei jungen Menschen führt, die gar keine andere Heimat kennen als Deutschland. Damit erschwert der neue Heimatminister die Identifikation junger Menschen mit unserem Land - und leistet der Integration einen Bärendienst.

Und sie ist klischeehaft, weil sie den Einfluss des Islam auf Deutschland und Europa negiert. Dazu gehört sicherlich die Konstruktion einer christlich-jüdischen Identität, die historisch nicht haltbar, aber allzu oft in populären Diskursen anzutreffen ist.    

Sachpolitik statt Symbolpolitik

Keine Frage: Die Sichtbarkeit der Muslime im öffentlichen Raum wirkt irritierend auf Teile der Bevölkerung. Doch dies hat nichts mit "Islamisierung des Abendlandes" zu tun, sondern mit der Freiheit, die unsere Verfassung bietet. Und welche die institutionelle Gleichstellung des Islam mit den christlichen Kirchen ausdrücklich fördert. Auch deshalb ist es wichtig - immer wieder, auch grundsätzlich - öffentlich über das Verhältnis zwischen Staat und Religion zu debattieren.

Doch diese Debatten dürfen nicht dazu führen, dass nicht mehr wirklich über die drängenden Sachfragen diskutiert wird, weil man auf der Ebene der Symbolpolitik bleibt.

Sachpolitik ist wesentlich komplexer als identitäre (Schein-)Diskurse. Der neue Bundesinnenminister sollte sich vielmehr Gedanken darüber machen, wie das Zusammenleben in unserer multireligiösen und multiethnischen Einwanderungsgesellschaft konkret verbessert werden kann.

Viel Arbeit für Horst Seehofer

Aktuell sollte er zum Beispiel dringend dafür Sorge tragen, dass alle Moscheen hierzulande in ausreichendem Maße vor terroristischen Angriffen geschützt werden. Darüber hinaus müsste er stärker die Bemühungen der Bundesländer unterstützen, damit der Islamunterricht als flächendeckendes Angebot in ganz Deutschland eine Selbstverständlichkeit wird. Es gibt also reichlich viel zu tun für den neuen Bundesinnenminister.

Darüber hinaus wäre die Wiederbelebung der Islamkonferenz als nationaler Dialogplattform eine gute Idee: Hier könnte die Einbürgerung des Islams in das deutsche Staatswesen vorangebracht und verbindliche Leitbilder für eine moderne Einwanderungsgesellschaft formuliert werden. Und zwar auf der Grundlage von Teilhabe und der Chancengleichheit für alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. 

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