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Größenwahn statt Kreativität

GMF Foto Anne Allmeling
Anne Allmeling
21. Mai 2015

Die Einnahme Palmyras durch den IS ist eine doppelte Katastrophe: für die Menschen dort und für die einzigartigen Kulturschätze. Deren absehbare Zerstörung hat ein klares Ziel, meint Anne Allmeling.

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Oasenstadt Palmyra Sonnenuntergang
Bild: picture-alliance/dpa/C. Melzer

Das Muster scheint immer das gleiche zu sein: Die Anhänger des selbst ernannten "Islamischen Staates" erobern einen historischen Ort, terrorisieren die Einwohner, schlagen Zehntausende Menschen in die Flucht. Dann nehmen sie sich das Kulturerbe vor: Statuen, Grabungsstätten, Jahrtausende alte Städte - all das plündern und zerstören die Terroristen mit einer Konsequenz, die nicht nur Freunden der Antike den Atem stocken lässt.

Das Motiv der Extremisten ist klar: Nichts soll übrigbleiben von einer Kultur, die aus vorislamischer Zeit stammt. Aus einer Epoche, in der die Menschen im Zweistromland nicht zu einem Gott beteten, sondern zu vielen - oder, wie die Extremisten meinen, zum falschen. Nichts von dem, was es schon vor Mohammed gegeben hat, ist den Terroristen heilig. Alles, was ihrer engen Interpretation des Islam widerspricht, vernichten sie.

Die ganze Welt wird Zeuge des Kulturfrevel

Systematische Zerstörung von Kulturgütern hat es in der Geschichte immer wieder gegeben. Neu ist, dass heute die ganze Welt daran teil hat. Auf Videos dokumentieren die IS-Anhänger, wie sie vorgehen - und was sie dabei anrichten. Jeder kann sich im Internet anschauen, wie sie das irakische Nimrud in die Luft sprengen - eine antike Stadt aus dem 13. Jahrhundert vor Christus. Oder wie sie Statuen im Museum von Mossul zertrümmern, die aus assyrischer Zeit stammen.

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Anne Allmeling ist derzeit Korrespondentin im ARD-Hörfunkstudio KairoBild: GMF/Anne Allmeling

Das Kalkül der Extremisten: Mit jeder Statue, jedem Stein, den die selbst ernannten Glaubenskrieger in Syrien und im Irak pulverisieren, zerstören sie auch einen Teil der nationalen Identität. Genau darauf hat es der IS abgesehen: Statt Nationalstaaten will er ein Kalifat. Statt säkularer Rechtsprechung die Scharia. Statt kultureller Vielfalt eine einzige Ideologie. Größenwahn statt Kreativität.

Der IS selbst schafft nichts Neues

Überall, wo die Extremisten wüten, hinterlassen sie verbrannte Erde. Das nimmt den Menschen im Irak und in Syrien ihre Lebensgrundlage - und die wenige Freiheit, die sie vielleicht hatten. Neue Ideen, Innovationen - all das lehnen die Extremisten ab. Nur wenn es um Terror und Zerstörung geht, ist ihnen jedes Mittel recht. Dabei bedienen sie sich auch der Mittel der Moderne. Ohne die kommt selbst der IS nicht aus.

Das Entsetzen, die Empörung und auch die Ratlosigkeit, die ihre Barbarei nicht nur im Westen auslösen, gilt den IS-Anhängern als Sieg - und soll auch davon ablenken, dass sie an anderen Fronten bisweilen Rückschläge einstecken müssen.

Das ist vielleicht die einzige gute Nachricht, die von der Zerstörungswut der Extremisten ausgeht: Langfristig kann der "Islamische Staat" keinen Erfolg haben. Weil er nichts hinterlässt, das er selbst geschaffen hat.

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