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Heißes Herz und kühler Kopf

17. Juli 2015

Ist Griechenland noch zu retten? Die Bundesregierung will es versuchen und das Parlament zieht mit. Aber so richtig traut niemand dem Braten, meint Sabine Kinkartz.

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Griechenland-Flagge vor Reichstag (Photo: Reuters/ Thomas Peter)
Bild: Reuters

Es ist der vielgescholtene Bundesfinanzminister, der die Debatte um ein drittes Hilfspaket für Griechenland auf den Punkt gebracht hat. "Wie kann es denn gehen, dass es auch geht?", fragte Wolfgang Schäuble. Dieser Satz, der auf den ersten Blick etwas holprig daherkommt, steht für das Dilemma, in dem alle sind, die Griechenland wirklich auf die Sprünge helfen wollen. Die nicht nur dafür sorgen wollen, dass bald wieder mehr Geld aus den Bankautomaten kommt und Griechenland seine fälligen Schulden bei der EZB und beim IWF bezahlen kann.

Schäubles Skepsis ist berechtigt. Griechenland ist kein funktionierender Staat. Ist es nie gewesen, so lange das Land Mitglied der Währungsunion ist. Das Land mit der Brechstange zu reformieren und gleichzeitig mit unmenschlich harten Auflagen finanziell sanieren zu wollen, kommt der Quadratur eines Kreises gleich. Wer in der Euro-Zone mitmischen will, muss Bedingungen erfüllen. Richtig. Sich unter diesen Bedingungen aus dem Sumpf ziehen zu wollen, wird die Menschen in Griechenland aber heillos überfordern.

Unbeliebter Grexit

Das weiß Schäuble. Er sagt, es quäle ihn und er ringe mit sich auf der Suche nach einer Lösung, von der er sagen könne, dass sie funktioniere. Eine Möglichkeit wäre für ihn, Griechenland für eine bestimmte Zeit aus der Euro-Zone ausscheiden zu lassen. Es ist eine Entscheidung, die er mit kühlem Kopf, mit reiner Rationalität getroffen hat. Sein Gefühl sagt ihm sicherlich etwas anderes, denn Schäuble ist ein glühender Europäer, dem die Einheit wichtig ist. Ein heißes Herz, das weiß er, führt jetzt und hier aber nicht mehr weiter.

Hauptstadtkorrespondentin Sabine Kinkartz (Photo: DW)
Hauptstadtkorrespondentin Sabine KinkartzBild: DW/S. Eichberg

Pech für Schäuble, dass Plan B, der Grexit, und sei er auch nur vorübergehend - wobei zu klären wäre, wie so etwas funktionieren kann - in der EU nicht mehrheitsfähig ist. Derzeit, oder noch nicht jedenfalls. Wer weiß schon, was in zwei Wochen ist, oder in vier. Wenn sich in den Verhandlungen über das Hilfsprogramm aus dem Euro-Rettungsfonds ESM Gräben auftun, wenn die Diskrepanzen zwischen den Forderungen, den Ansprüchen und dem, was Griechenland zu leisten in der Lage sein wird, doch unüberbrückbar werden?

Blutleere Kanzlerin

Alles das wird und muss sich zeigen. Versuchen wollen es die meisten deutschen Parlamentarier jedenfalls und sie wissen, dass sie eine - wenn auch knappe - Mehrheit der Bürger hinter sich haben. Mitmenschlichkeit sei der Antrieb, aus dem das dritte Hilfsprogramm in Angriff genommen wird, hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel betont. Der SPD-Chef ist Vizekanzler, im Bundestag hat er in dieser denkwürdigen Sondersitzung eine Rede gehalten, die der Kanzlerin gut zu Gesicht gestanden hätte. Angela Merkel trat auf, wie sie immer auftritt. Vernünftig, unaufgeregt, kühl, sachlich. Selbst Sätze, die Vokabeln wie "Dramatik", "Chaos" oder "Gewalt" enthalten, bleiben bei ihr blutleer.

Das hörte sich bei Sigmar Gabriel anders an. Er gibt den Griechen ein Gesicht, wenn er von Nachbarn spricht, bei denen wir Urlaub machen und die zu Tausenden auch in Deutschland leben und zuhause sind. Wir dürften diese Menschen jetzt nicht im Stich lassen, sagt er und beschwört Bilder von hungernden Kindern und bettelnden Rentnern herauf. Gleichzeitig weist aber auch er mit Nachdruck darauf hin, dass das Land in seinen Strukturen dramatisch verändert werden muss. Dass Korruption, Steuerhinterziehung und Klientelismus nur Zerstörung bedeuten.

Was kommt?

Ob das dritte Hilfspaket Erfolg haben wird, das kann hier und heute noch niemand ernsthaft voraussagen. Die Arbeit fängt jetzt erst an. Es wird ein sehr, sehr schwieriger Weg werden, der sehr wohl noch in einen Grexit, in ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone münden kann. Wenn dem so sein sollte, dann wäre es aber falsch, allein den Griechen die Schuld dafür zu geben. Verantwortlich sind vor allem jene, die den Euro einführten, ohne zuvor eine wirkliche Wirtschafts- und Sozialunion zu schaffen. Aber das ist Schnee von gestern. Heute müssen wir mit den Folgen umgehen. So gravierend sie auch sind.

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