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Kommentar: Herkulesaufgabe Integration

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Verica Spasovska
14. September 2015

Die Willkommenskultur in Deutschland hat weltweit Schlagzeilen gemacht. Doch die Integration der Flüchtlinge wird Jahrzehnte dauern und nimmt Staat und Neuankömmlinge gleichermaßen in die Pflicht, meint Verica Spasovska.

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Deutschland Flüchtlinge in München
Bild: DW/M. Gopalakrishnan

Seit Wochen freuen wir uns über die Bilder von Deutschen, die an Bahnhöfen im ganzen Land erschöpfte, übermüdete, aber hoffnungsvolle Flüchtlinge freundlich in Empfang nehmen. Unermüdlich verteilen ehrenamtliche Helfer Wasser, Lebensmittel und Kleidung. Es sind Gesten der Menschlichkeit, für die Deutschland international zu recht viel Anerkennung erhält. Doch die Freude über diese wunderbare Willkommenskultur darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland vor einer Herkulesaufgabe steht: der Integration dieser Menschen. Die meisten kommen aus völlig anderen Kulturkreisen, aus islamischen Ländern wie Syrien, dem Irak oder Afghanistan. Und sie werden wohl bleiben, weil die Befriedung ihrer Herkunftsländer noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern wird.

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Verica Spasovska leitet die Nachrichtenredaktion Online der DW

Sie zu integrieren - diese Aufgabe sollte nicht unterschätzt werden, wie es vor dreißig Jahren der Fall war, als Millionen von Gastarbeitern aus Südosteuropa nach Deutschland kamen. Damals lautete die Devise: "Das sind ja nur vorübergehende Gäste". Also machte man nicht viel Aufhebens um Integrationsmaßnahmen. Aber die allermeisten Gastarbeiter sind geblieben, viele von ihnen gut integriert. Aber gerade unter den türkischen Nachfolgegenerationen entstanden zum Teil regelrechte Parallelgesellschaften, die mit den Regelwerken der deutschen Gesellschaft bis heute nichts zu tun haben wollen.

Die Flüchtlinge in die Pflicht nehmen

Um diesen Fehler zu vermeiden, müssen Kinder und Jugendliche so schnell wie möglich in Kitas und Schulen geschickt werden. Sie müssen ebenso wie ihre Eltern Deutsch lernen. Und ihnen muss klar sein, dass die Gepflogenheiten in Deutschland andere sind als in Teilen der Gesellschaft ihrer Herkunftsländer: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Niemand darf seiner Tochter verwehren, einen Mann mit einer anderen Religionszugehörigkeit zu heiraten. Wer das mit Gewalt zu verhindern versucht, dem droht in Deutschland Gefängnis. Das Grundgesetz ist die entscheidende Grundlage unserer Gesellschaft und nicht etwa ein religiöses Buch wie der Koran. Homosexualität ist gesellschaftlich anerkannt und niemand muss in Deutschland deswegen ins Gefängnis, wie es in vielen Ländern des Nahen Ostens Gesetz ist. Kinder dürfen nicht geschlagen werden. Und es gibt eine Schulpflicht, die geachtet werden muss.

Die Flüchtlinge müssen so schnell wie möglich mit den Kernelementen deutscher Politik vertraut gemacht werden. Deutschland hat aufgrund seiner Vergangenheit ein besonderes Verhältnis zu Israel und den USA. Das wird für viele Flüchtlinge aus der arabischen Welt eine neue Erfahrung sein.

Europäischer Islam als Chance für Deutschland

Dass die meisten Flüchtlinge aus islamischen Ländern kommen, ist nicht unbedingt ein Hindernis für ihre Integration in die deutsche Gesellschaft. Denn es gibt aus der Vergangenheit auch ein positives Beispiel, wie Deutschland Hunderttausende Muslime problemlos integriert hat: Während des Jugoslawienkrieges Anfang der neunziger Jahren kamen fast 400.000 bosnische Kriegsflüchtlinge nach Deutschland. Die allermeisten waren bosnische Muslime. Diese Muslime sind geprägt von einem gemäßigten, europäischen Islam, der seit Jahrhunderten eine Brücke zwischen Europa und dem Nahen Osten schlägt. Wenn es gelingt, auf dem Boden unseres Grundgesetzes einen europäischen Islam in Deutschland zu etablieren, dann kann die aktuelle Flüchtlingswelle eine große Chance für Deutschland sein.