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Im Blick nur der Täter, nicht aber die Opfer

Jens Thurau2. März 2015

Eine kurze Erklärung, ein knappes Schuldgeständnis. Und Sebastian Edathy bleibt straffrei. Das ist juristisch korrekt. Und doch bleibt ein fader Beigeschmack, meint Jens Thurau, der den Prozess in Verden beobachtet hat.

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Sebastian Edathy / SPD
Bild: picture-alliance/dpa

Warum nur hat er so lange für diese kurzen, einfachen Sätze gebraucht? Er sagt sie auch jetzt nicht selbst, was möglich gewesen wäre. Sebastian Edathy lässt seinen Anwalt vortragen, was doch eigentlich alle von ihm hören wollen: Er hat sich Videos und Bilder von nackten Kindern via Internet verschafft, sich also kinderpornografisches Material besorgt. Bisher hat er stets bestritten, etwas Strafbares getan zu haben. Jetzt also ist es raus. Und weil Edathy das tut, bleibt er straffrei.

Um es klar zu sagen: Das ist in Ordnung so. Es ist übliche Praxis in deutschen Gerichtssälen, dass sich die Beteiligten auf eine Einstellung des Verfahrens einigen, wenn die Straftat ein nur geringes Ausmaß hat und wenn der Angeklagte gesteht. Wohltuend unaufgeregt hat das Landgericht in Verden von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.

Kein Sensus für die Dimension des Vorwurfs

Aber es bleibt ein Unwohlsein: Über Edathy selbst und über eine Staatsanwaltschaft, die nur wenig in den Händen hatte und doch wild entschlossen schien, den prominenten Angeklagten zu verurteilen.

Sebastian Edathy selbst: Ein Jahr lang hat er die Öffentlichkeit gemieden, hat in Facebook über eine Vorverurteilung schwadroniert und den Anschein erweckt, ihm werde übel mitgespielt. Von Fehlern hat er zwar gesprochen, aber welche das waren, ließ er offen. Nie hatte man das Gefühl, auch vor Gericht nicht, dass er begriffen hätte, wie schwer dieser Vorwurf wiegt: Kinderpornografie. Ja, seine politische Laufbahn ist wohl beendet, aber ein Politiker vom Kaliber eines Edathy muss gewusst haben, was er da tut. Nicht jeder, der pädophile Neigungen hat, muss zum Täter werden. Edathy wurde es, auch wenn er jetzt straffrei bleibt.

DW-Mitarbeiter Jens Thurau
Jens Thurau, Korrespondent im DW-HauptstadtstudioBild: DW/D. Engels

Und die Staatsanwaltschaft? Da übergibt einer von ihnen den Abschlussbericht der Ermittlungen gegen Edathy einzelnen Medienvertretern. Da wird man den Eindruck nicht los, dass die Anklagebehörde aus diesem Verfahren nicht ohne Beute nach Hause gehen wollte. Trotz nur geringer Schwere der Vorwürfe sollte Edathy öffentlich gestehen, in Anwesenheit von Zuhörern und Journalisten. Kann man das allein mit dem Recht der Öffentlichkeit begründen, über solche spektakulären Prozesse gegen Prominente möglichst viel zu erfahren? Wohl kaum.

Wie Opfer schützen und potenziellen Tätern helfen?

Der Sache tut man damit keinen Gefallen: Sich kinderpornografisches Material zu beschaffen, es gar herzustellen, ist ein schlimmes Vergehen, es wird zu Recht hart bestraft. Dass es Grauzonen gibt, scheinbar unverfängliches Material, bei dem man straffrei bleibt, wenn man es besitzt, ist schwer zu ertragen. Es gilt, Menschen mit pädophilen Neigungen klar zu machen, dass sie ihre Neigung nie, nie ausleben dürfen - nicht körperlich, nicht im Internet. Aber dass Hilfe möglich ist, wie man dieser Veranlagung umgehen kann - von all dem war nichts zu hören im Gerichtssaal oder in der Diskussion um Edathy im politischen Berlin. Da geht es vor allem um die Frage, wer wann von wem von den Vorwürfen gegen Edathy wusste. Vom Leid junger Menschen, die für die Herstellung von Kinderpornografie missbraucht werden, wird auch in diesem Kontext eher weniger gesprochen.

Gut möglich, dass noch viel gesprochen wird über den Fall Edathy. Gut möglich, dass noch einige Köpfe rollen werden in der SPD, wenn herauskommt, dass Edathy von den Ermittlungen gegen ihn wusste und wer ihn informierte. Weniger wahrscheinlich ist, dass das zu einer breiten Debatte über Kinderpornografie und den Umgang mit Opfern und Tätern führt. Das ist sehr bedauerlich.