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Im freien Fall

Porträt eines Mannes, der eine Brille trägt
Bartosz Dudek
11. Januar 2016

Scharfe Vorwürfe in den Medien, den Botschafter zum Gespräch bitten: Die deutsch-polnischen Beziehungen sind im freien Fall. Wer dafür aber nur einer Seite die Schuld gibt, macht es sich zu einfach, meint Bartosz Dudek.

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Faire Mobilität und Arbeitnehmerfreizügigkeit Symbolbild
Bild: picture-alliance/dpa

Es ist ein Paradox: Im Juni wollen Polen und Deutsche gemeinsam 25 Jahren guter nachbarschaftlicher Beziehungen gedenken. Denn vor einem Vierteljahrhundert haben das freie Polen und das vereinigte Deutschland einen Freundschaftsvertrag geschlossen. Es war ein epochales Ereignis, vergleichbar mit dem Elysée-Vertrag, der drei Jahrzehnte früher die "Erbfeindschaft" zwischen Deutschland und Frankreich ein für alle Mal beendete. Nun, im Jubiläumsjahr und nur zwei Monate nach der Machtübernahme durch die national-konservative PiS-Partei in Polen, befindet sich das deutsch-polnische Verhältnis im freien Fall.

Wer allerdings die Schuld nur auf Seiten der Partei von Jaroslaw Kaczynski sieht, macht es sich zu einfach. Denn die im Kern berechtigte Kritik seitens der deutschen oder deutschstämmigen EU-Politiker an der beunruhigenden Entwicklung in Polen zeugt in vielen Fällen schlicht und ergreifend von Ignoranz und Unkenntnis. Die Verwendung von bevormundenden oder gar martialischen Begrifflichkeiten wie "unter Aufsicht stellen" oder "Strafmaßnahmen" in Bezug auf das Land, das im vergangenen Jahrhundert unter der deutschen "Aufsicht" Millionen Opfer zu beklagen hatte, weckt die schlimmsten Assoziationen nicht nur unter germanophoben PiS-Wählern. Die deutschen Politiker in Berlin oder in Brüssel wären deshalb gut beraten, sachlich zu bleiben und ihre Worte genau zu wägen. Oder besser noch ihren Kollegen aus anderen EU-Ländern bei kritischen Einwürfen den Vortritt zu lassen. Wer das stolze polnische Volk kennt, der weiß, dass Drohungen aus deutschem Munde absolut kontraproduktiv sind und alles nur noch schlimmer machen.

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Bartosz Dudek leitet die polnische Redaktion der DW

Folgen auch für die EU

Denn der Preis für tatsächliche oder vermeintliche Entgleisungen (auf beiden Seiten) ist groß. Es steht viel, sogar sehr viel auf dem Spiel. Das deutsch-polnische Verhältnis hat eine Bedeutung, die über ein normales Nachbarschaftsverhältnis hinausgeht. Es ist eine der tragenden Säulen der Europäischen Union, doch gleichzeitig auch eine zarte Pflanze, die zum Wachsen viel Geduld und Verständnis braucht. Ohne gegenseitiges Vertrauen und Einfühlungsvermögen kann diese Pflanze nicht gesund bleiben.

Es wäre paradox und tragisch zugleich, wenn durch eine Krise in diesem Verhältnis sich die ohnehin bestehenden Probleme der Europäischen Union noch weiter vergrößern würden. Es ist die Sache der Politik, aber auch der Zivilgesellschaften auf beiden Seiten, dem vorzubeugen und den freien Fall zu stoppen. Damit das 25. Jubiläum des Freundschaftsvertrages, dieses Dokumentes von epochaler Tragweite, in Freundschaft und nicht in eisiger Distanz begangen werden kann.

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Porträt eines Mannes, der eine Brille trägt
Bartosz Dudek Redakteur und Autor der DW Programs for Europe