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Politik

IS-Kämpfer heimholen?

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Bachir Amroune
18. Februar 2018

Europäer und Amerikaner streiten, wie mit den in Syrien und im Irak gefangenen Landsleuten zu verfahren ist, die dort für den IS gekämpft haben. Auch für sie müssen rechtsstaatliche Normen gelten, meint Bachir Amroune.

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Irak Kämpfe um Mossul
Ein Soldat durchstreift 2017 einen Bahntunnel in Mossul, das über drei Jahre vom IS beherrscht wurdeBild: picture-alliance/AP Photo/K. Mohammed

Es ist ein Skandal, über den sich kaum jemand zu empören scheint: Mehrere westeuropäische Regierungen wollen keine Verantwortung für ihre Bürger übernehmen, die sich den Terrortruppen des IS im Irak und Syrien angeschlossen hatten und dort jetzt gefangen genommen worden sind.

Vor allem die syrischen Kurden sind mit der Bewachung ihrer IS-Gefangenen überfordert und wünschen sich, dass zumindest die Westeuropäer unter diesen in ihren Heimatländern vor Gericht gestellt werden. Und weil die Situation im der Bürgerkriegsregion sehr instabil ist, besteht auch die Gefahr, dass die Gefangenen wieder befreit werden und dann erneut in den Kampf ziehen.

Bei einem Treffen der Verteidigungsminister der Anti-IS-Koalition in Rom am vergangenen Dienstag (13.02.2018) versuchte deshalb US-Verteidigungsminister James Mattis, dessen Land der wichtigste Verbündete der syrische Kurden ist, seine europäischen Partner von der Notwendigkeit dieses Schrittes zu überzeugen. Ohne Erfolg: Weder Briten noch Franzosen zeigten sich bereit, ihre Landsleute zurückzuholen. Die Position Deutschlands, das von der geschäftsführenden Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen vertreten wurde, bleibt unklar.

Angeblich gerechte Prozesse vor Ort

Von den 5000 Europäern, die sich dem IS in der Region laut Gilles de Kerchove, dem EU-Koordinator für Terrorismusbekämpfung, angeschlossen haben, sind inzwischen 1500 in ihre Heimatländer zurückgekehrt. Wie viele von den übrigen noch am Leben sind, wie viele sich in Gefangenschaft befinden, ist nicht bekannt. Experten gehen von insgesamt etwa 20.000 mutmaßlichen IS-Gefangenen im Irak und in den syrischen Kurdengebieten aus, die Zahl der Europäer dürfte mehrere 100 betragen.

Um eine Rückkehr ihrer IS-Kämpfer zu verhindern, setzen die Briten vor allem auf den Trick, diesen - wann immer rechtlich möglich -die Staatsangehörigkeit zu entziehen. Laut New York Times sollen sie sich auf diesem Wege rund 150 ihrer Staatsbürger entledigt haben. Die Franzosen haben diese Möglichkeit aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht. Laut der Zeitung Le Monde befinden sich 100 französische IS-Anhänger in syrisch-kurdischer Gefangenschaft, 60 von ihnen sind sogar noch minderjährig. Für Außenminister Jean-Yves Le Drian steht fest: Diesen Feinden, die Akte der Barbarei begangen haben, soll an vor Ort der Prozess gemacht werden. Solange dieser gerecht sei, werde sich Paris nicht einmischen.

Schlimme Menschenrechtsverletzungen

Das steht nicht nur in eklatantem Widerspruch zu Präsident Macrons Ankündigung, jeden Fall individuell regeln zu wollen. Es widerspricht auch den Gegebenheiten vor Ort: Die syrischen Kurden haben keine international anerkannte Justiz! Von europäischer Rechtsprechung entsprechenden Standards ganz zu schweigen. Immer wieder ist von Folter und von außergerichtlichen Hinrichtungen die Rede. Mit "gerecht" meint der Minister daher in Wirklichkeit nur, dass seine Landsleute nicht zum Tode verurteilt werden sollen. Denn das wäre heikel für ein Land, das sich ansonsten offiziell für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe einsetzt.

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Bachir Amroune ist Redakteur bei DW-Arabisch

Im Irak ist die Lage um einiges schlimmer: Menschenrechtsorganisation wie Human Rights Watch (HRW) berichten von systematischen Misshandlungen, Vergewaltigungen und Tötungen von mutmaßlichen IS-Mitgliedern und ihrer Sympathisanten durch irakische Soldaten und Milizionäre. Kurdischen Sicherheitskräften wird vorgeworfen, mehrere hundert männliche Gefangene außergerichtlich hingerichtet zu haben. Für HRW sind die Standards der irakischen Justiz auf allen Ebenen mangelhaft - angefangen bei der Identifizierung der Verdächtigen, über die inhumanen Haftbedingungen, bis hin zum Gerichtsverfahren selbst.

Für Aufsehen sorgte das Todesurteil gegen eine deutsche IS-Kämpferin Mitte Januar. Sie soll entsprechend dem irakischen Antiterrorgesetzes gehängt werden. Deutschlands Einsatz in diesem Fall beschränkt sich aber allein darauf, ihre Todesstrafe in eine lebenslängliche Haftstrafe umzuwandeln.

"Möglichst keine Gefangene machen"

Dass sich die Europäer und Amerikaner jetzt um ihre gefangenen IS-Bürger den Kopf zerbrechen müssen, ist eigentlich ein Kollateralschaden. Am liebsten wäre es ihnen gewesen, sie wären alle im Kampf getötet worden. "Möglichst keine Gefangene machen" lautet seit mehreren Monaten die Devise. Bereits im vergangenen Mai sagte Mattis, das Ziel seines Landes sei, dass die ausländischen IS-Kämpfer nicht überlebten. Französische und britische Politiker äußerten sich über ihre Landsleute ähnlich. Französische Medien berichteten sogar vom Einsatz französischer Spezialkräfte, deren Aufgabe darin bestehe, französische IS-Kämpfer zu eliminieren, bevor sie zurückkehren könnten oder in Gefangenschaft gerieten.

Abgesehen von Angst vor der steigenden Terrorgefahr durch die Rückkehr der europäischen IS-Kämpfer, besteht die eigentliche Sorge darin, dass in vielen Fällen die Beweise für eine Verurteilung in Europa nicht ausreichen dürften. Und so versuchen die Verantwortlichen das Prinzip der Unschuldsvermutung zu umgehen, das eigentlich auch für mutmaßliche Terroristen gelten muss. Und höhlen somit den Rechtsstaat und die eigenen Werte aus, die sie doch gegen die Extremisten verteidigen wollen.

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