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Politik

Jetzt liegen alle Karten auf dem Tisch

Franca Tiebot Francis Kommentarbild App
Francis França
12. September 2018

Nun ist es offiziell: Fernando Haddad ist der Präsidentschaftskandidat der Arbeiterpartei in Brasilien. Zeit für die Bewerber, sich endlich um die Probleme des Landes zu kümmern, meint Francis França.

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Braslien, Sao Paulo: Luiz Inacio Lula da Silva und Fernando Haddad
Anstelle des populären Luiz Inacio Lula da Silva (li.) soll nun Fernando Haddad für die Arbeiterpartei ins Rennen gehenBild: Getty Images/AFP/Y. Chiba

Nach einem bereits seit Monaten chaotisch geführten Wahlkampf folgt der ehemalige Präsident Luiz Inácio Lula da Silva und seine Arbeiterpartei nun dem Urteil des Wahlgerichts: Sie haben die Präsidentschafstkandidatur dem ehemaligen Bildungsminister und Bürgermeister von Sao Paulo, Fernando Haddad, übertragen.

Das wurde höchste Zeit. DennLula war schon lange von der Wahl ausgeschlossen und er weiß das auch. So sieht es nämlich das Anti-Korruptions-Gesetz "Ficha Limpa" ("Unbeschriebenes Blatt") vor: Personen, die in zweiter Instanz verurteilt wurden, dürfen acht Jahre lang für kein öffentliches Amt kandidieren. Das Gesetz wurde mit Rückendeckung von Millionen Brasilianern verabschiedet und von Lula selbst unterzeichnet - eines der vielen guten Dinge, die der Ex-Präsident für das Land getan hat. Nun muss auch er dieses Gesetz achten.

Freiwillig auf dem Weg in die Autokratie

Lula hat all jene enttäuscht, die von ihm die Haltung eines Staatsmannes erwarteten, der die Interessen des Landes vor die eigenen stellt. Die Sturheit, mit der die PT an der Kandidatur des Ex-Präsidenten festgehalten hat, hat die Stimmung im Volkes weiter radikalisiert. So scheint es inzwischen durchaus möglich, dass das Land freeiwillig den Weg in Richtung einer Autokratie einschlägt.

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Francis Franca leitet die Brasilianische Redaktion

Denn der rechtsextreme Kandidat Jair Bolsonaro bleibt weiterhin der Favorit für den ersten Wahlgang. Die jüngsten Umfragewerte, die an diesem Montag veröffentlicht wurden, haben das erneut bestätigt. Und der erste Wahlgang dürfte dieses Mal wohl entscheidend sein, denn hinter dem Favoriten liegen gegenwärtig vier Kandidaten ungefähr gleichauf - was den zweiten Wahlgang völlig unvorhersehbar macht.

Trotz seiner Position als Favorit liegt Bolsonaro aber auch bei der Ablehnungsquote ganz vorne - 43 Prozent der Wähler würden niemals für ihn stimmen. Das ist insofern besonders wichtig, weil in diesem Jahr bei vielen Wählern die Ablehnung eines Kandidaten die größere Triebfeder bei der Stimmabgabe zu sein scheint als die Sympathie für jenen, den sie dann letztlich wählen.

So könnte auch Bolsonaro im zweiten Wahlgang noch gegen jeden möglichen Gegner verlieren - eine Situation vergleichbar der Nicht-Wahl von Marie Le Pen in Frankreich. Sogar Haddad, der zum Zeitpunkt dieser Umfrage noch gar nicht nominiert war, würde nach deren Ergebnissen gegen den Ex-Offizier gewinnen.

Keine sichere Prognose möglich

Aber wir leben weltweit in einem Jahrzehnt der politischen Schocks aufgrund überraschender Wahlergebnisse und kein Szenario sollte deswegen außer Acht gelassen werden. Selbst wenn Haddad einen Großteil der Lula-Wählerschaft übernehmen kann - seit Juni stieg der Anteil derer, die ihn wählen wollen, bereits von einem auf neun Prozent an - und es ihm gelingt, in den zweiten Wahlgang zu kommen, erbt er zugleich die große Ablehnung gegen die PT. Angesichts so vieler Variablen ist es unmöglich, eine sichere Prognose über den künftigen Präsidenten zu machen.

Aber wer weiß: Vielleicht konzentrieren sich die Kandidaten jetzt, da klar ist, wer alles antreten wird, endlich auf Vorschläge zur Zukunft des Landes. Denn nach vier Jahren politischer und wirtschaftlicher Krisen, nach zwei Jahren unter einer illegitimen Regierung und erschütternden Rückschritten im sozialen Bereich, wollen die Brasilianer endlich einen Neuanfang. Sie haben nun weniger als einen Monat, um eine neue Seite ihrer Geschichte zu aufzuschlagen. Hoffentlich wird es keine Horrorgeschichte.