Jetzt regt Euch mal nicht so auf
Die Nachricht, dass Deutschland Autofahrer künftig zur Kasse zu bitten wird, wenn sie die wunderbaren Autobahnen hier nutzen wollen, hat viele im Ausland die Stirn runzeln lassen oder sogar auf die Palme gebracht. Deutschland? Das Land der Autobahnen? Mit einem BMW oder Mercedes umsonst über die Autobahn rasen zu dürfen - ist das nicht ein in der Verfassung garantiertes Grundrecht? Fundamentaler Bestandteil der deutschen Seele?
Der Teufel liegt im Detail. Zwar muss jeder die Maut bezahlen, aber die Deutschen bekommen ihr Geld zurück, weil im Gegenzug für alle in Deutschland zugelassenen Wagen die Kraftfahrzeugsteuer gesenkt wird. Die Maut ist einzig und allein dafür gedacht, die Ausländer am Unterhalt des deutschen Schnellstraßennetzes zu beteiligen. Und mit dieser Idee lassen sich gut Stimmen sammeln - schließlich ist Wahljahr in Deutschland.
Österreich will klagen
Logisch, dass die Nachbarn der Deutschen wenig begeistert sind, hierfür herhalten zu müssen. Die Österreicher zum Beispiel wollen die Maut vor den Europäischen Gerichtshof bringen. Sie argumentieren, es handle sich um eine Diskriminierung von Ausländern und das sei nicht hinnehmbar. Klar - niemand mag für etwas bezahlen, was es bisher umsonst gab. Die Musik-Industrie kann ein Lied davon singen.
Die Deutschen werfen ihren südlichen Nachbarn Heuchelei vor, weil Österreich ja selbst Maut auf seinen Autobahnen erhebt. Die Österreicher ihrerseits entgegnen, dass sie trotzdem schon jetzt eine deutlich höhere Fahrzeugsteuer bezahlen müssen. In der Debatte, ob die neue Autobahn-Maut nun gerecht ist oder nicht, lässt sich so schnell kein Konsens erzielen. Und doch handelt es sich faktisch nur um ein Luxusproblem hochentwickelter Industriestaaten.
Ausländer, die sich nun ärgern, dass sie zahlen sollen für die schnelle Fahrt auf der A9 von Berlin nach München oder für das Erlebnis Dauerstau auf der A3 zwischen Oberhausen und Köln, dürfen aber eines nicht vergessen: Wir sprechen über Deutschland. Und deswegen wird die Autobahn-Maut perfekt organisiert sein.
Zeitraubende Mautsysteme in den USA
Als einer, der an der US-amerikanischen Ostküste aufgewachsen und lange zwischen Washington DC und Boston gependelt ist, könnte ich Autobahn-Horrorgeschichten erzählen, die jedem die Fußnägel aufrollen ließen. Wenn ich Hörbücher dabei gehabt hätte - ich hätte Krieg und Frieden, Ulysses und die gesammelten Werke von Charles Dickens hören können in all der Zeit, die ich in Warteschlangen in New Jersey verbracht habe, um ungefähr alle 20 Meilen einen Viertel Dollar in einen Korb zu werfen.
"Turnpikes" heißen mautpflichtige Straßen in meiner Heimat. Das Wort nimmt Bezug auf vor-automobile Zeiten, als man auch schon für bestimmte Strecken einen Straßenwärter bezahlen musste und erst dann durch ein Drehkreuz (turnstile) Zutritt bekam. Dieses System war ungefähr genauso praktisch wie der Umgang mit der Vielzahl unterschiedlicher Bezahl- und Gebührensysteme in jedem einzelnen US-Bundesstaat bis heute.
Seht es positiv, Nachbarn: Deutschland wird zweifellos einen schnellen und effizienten Weg finden, euer Geld einzukassieren. Und bis auf weiteres gilt dann immer noch: Wenn Ihr bezahlt habt, könnt Ihr euch in das Abenteuer stürzen, so schnell zu fahren, wie Ihr möchtet.
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