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Kein Freund und Helfer

Gero Schließ, Washington 9. April 2015

Die tödlichen Polizeieinsätze, bei denen Schwarze das Opfer sind, lassen immer mehr Amerikaner an ihrer Polizei zweifeln. Doch auch nach dem jüngsten Vorfall wird sich nicht viel ändern, meint Gero Schließ.

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USA Polizist erschießt Mann Videostill
Bild: Reuters

Ferguson, New York, Cleveland und nun North Charleston: Wie oft muss das noch passieren, bis sich etwas ändert? Zu Recht sind viele Amerikaner empört und verzweifelt über ihre Polizei, selbst wenn sie wissen, dass es auch "gute Cops" gibt. Oft genug aber ist die Polizei kein Freund und Helfer. Und manchmal bringt sie den Tod.

Lügen im Polizeibericht

Die Schüsse auf den unbewaffneten Schwarzen Walter Scott durch den Polizeibeamten Michael Slager sind das jüngste Beispiel in einer langen Reihe von tödlichen Zwischenfällen, in denen weiße Polizisten unbewaffnete schwarze Männer getötet haben. Diesmal gab es von Anfang an keinen Zweifel an der Schuldfrage. Das grauenhafte Video, aufgenommen von einem mutigen Passanten, zeigt die ganze Brutalität und Menschenverachtung. Es ist gleichzeitig ein Beweismittel, das den offiziellen Polizeibericht unwiderlegbar Lügen straft. Und es setzte die örtlichen Politiker unter Zugzwang. Nachdem das Video öffentlich war, reagierte der Bürgermeister von North Charleston schnell und angemessen: Entlassung und Verhaftung des beschuldigten Polizisten.

Ist also zumindest in North Charleston die Welt wieder in Ordnung? Keineswegs! Ohne das Video wäre wohl alles anders gekommen. Slager hätte sich mit Deckung seiner Kollegen aus der Affäre gezogen und der Mord wäre möglicherweise ungesühnt geblieben.

Deutsche Welle Gero Schließ
Gero Schließ, DW-Studio WashingtonBild: DW/P.Henriksen

Über die Gründe für die tödlichen Schüsse von Polizisten auf Schwarze ist schon viel geschrieben worden. Die Ausbildung der Cops ist in der Regel schlecht, oft ist der Griff zur Waffe vorschnell. Dass es meistens Angehörige von Minderheiten trifft, weist aber auf etwas anderes hin. Amerika hat immer noch ein massives Rassenproblem. Dieses Problem begleitet das Land seit seiner Geburtsstunde. Daran ändert auch nichts, dass sein gegenwärtiger Präsident schwarze Hautfarbe hat. Insbesondere in südlichen US-Staaten wie etwa jetzt in South Carolina, aber nicht nur dort, sind rassistische Vorurteile immer noch verbreitet. Und das hat schlimme Folgen: Das Leben eines Schwarzen in den USA wird vielfach als weniger wertvoll angesehen als das der weißen Mitbürger.

Durch Teile der Politik gedeckt

Es wäre verfehlt, dies nur an den brutalen polizeilichen Übergriffen festzumachen. Dass in North Charleston im Polizeibericht gelogen und betrogen wurde, war nur möglich, weil die Polizei zumindest durch Teile der Politik gedeckt wurde.

Präsident Obama und sein furchtloser Justizminister Eric Holder haben immer wieder versucht, vor Ort zu intervenieren. Zuletzt in Ferguson. Dort fiel der Untersuchungsbericht über die lokale Polizei so verheerend aus, dass die Verantwortlichen zurücktreten mußten. Auch jetzt ermitteln wieder FBI und das Justizministerium. Vor allem sind nachhaltige und strukturelle Verbesserungen gefragt, wie sie etwa die Task-Force vorgeschlagen hat, die Präsident Obama nach Ferguson eingesetzt hatte: Mehr schwarze Polizisten, verstärktes Trainieren defensiver Taktiken, die Untersuchung tödlicher Polizeieinsätze durch unabhängige Kommissionen und nicht zuletzt Körperkameras für jeden Polizisten im Lande.

Solche Kameras werden in den USA wie ein Allheilmittel diskutiert, sie sind aber keins. Kameras können rassische Voreingenommenheit nicht beseitigen. Sie wirken möglicherweise mäßigend und am Ende vertrauensbildend. Doch es ist längst nicht ausgemacht, ob diese Vorschläge überhaupt von den Polizeien der Bundesstaaten und Kommunen umgesetzt werden. Vergleichbare Initiativen aus Washington sind bisher immer ausgebremst worden.

Gute Nachricht aus Ferguson

Um das Rassenproblem in der Tiefe angehen zu können, müßte sich das Land hier erst einmal "ehrlich machen". Solange aber beispielsweise republikanische Präsidentschaftskandidaten offen die Rassenfrage bagatellisieren, wird das nicht funktionieren.

Aber es gibt in diesen Tagen auch einen Hoffnungsschimmer, eine gute Nachricht. Sie kommt - ausgerechnet - aus Ferguson: Dort haben die ersten Stadtratswahlen nach den Unruhen ein bemerkenswertes Ergebnis gebracht: Die Wahlbeteiligung hat sich verdoppelt und die Zahl schwarzer Vertreter im Stadtrat hat sich verdreifacht.

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