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Kein Grund zum Jubeln

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
11. August 2015

Athen bekommt erneut Geld und Zeit für Reformen. Dass die Regierung Tsipras die Bedingungen wirklich erfüllen kann, ist zweifelhaft. Sie ist schließlich schuld an einem erheblichen Teil der Misere, meint Bernd Riegert.

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Griechenland Premierminister Alexis Tsipras
Oxi - Nein: Die Bedingungen des dritten Hilfspakets haben die Griechen eigentlich im Juli beim Referendum abgelehntBild: picture alliance/Photoshot

Die Nachricht aus Athen, dass sich Kreditgeber und Regierung auf ein drittes Hilfspaket geeinigt haben, klingt zunächst einmal positiv. Doch zu Freudenschreien besteht kein Anlass. Der neue Kreditvertrag, das "Memorandum of understanding", ist eigentlich ein Dokument des Scheiterns.

Die Notwendigkeit eines neuen Hilfspakets mit mindestens 86 Milliarden Euro für die kommenden drei Jahre zeigt, dass die beiden ersten Hilfspakete und ein Schuldenschnitt in der Gesamthöhe von 330 Milliarden Euro in den vergangenen fünf Jahren nicht geholfen haben. Die bisherigen Rezepte der Eurogruppe und des Internationalen Währungsfonds für Griechenland haben nie die angekündigte Wirkung gehabt. Jetzt wird das gleiche Rezept zum dritten Mal verordnet. Warum sollte es diesmal funktionieren?

Härtere Auflagen als je zuvor

Die Maßnahmen und Auflagen für den griechischen Staat und die Steuerzahler, die da zu Papier gebracht wurden, sind tiefgreifend. Sie sind die Summe der vielen Reformen, die in den vergangenen fünf Jahren nur halbherzig oder gar nicht angepackt wurden. Woher soll sich die Zuversicht speisen, dass es in den nächsten drei Jahren in einer fiskalisch noch bedrückenderen Lage wirklich zu Reformen und einem neuen Geschäftsmodell für Griechenland kommen kann?

Das Ziel ist, dass Griechenland in Zukunft seine Staatsschulden wieder selbst an den internationalen Kapitalmärkten finanzieren kann. Das Ziel ist nicht der nominale Abbau von Schulden, sondern nur ein bescheidenes Wirtschaftswachstum, um die Relation von Schulden zum Bruttoinlandsprodukt abzusenken.

Kreditgeber werfen ihre Prinzipen über Bord

Das dritte Hilfspaket ist auch ein Dokument des Scheiterns, weil ein entscheidender Teil fehlt. Die Schuldentragfähigkeit, die nach den Buchstaben des Vertrages über den Hilfsfonds ESM vor der Vergabe von Mitteln geprüft werden muss, wurde ausgeklammert. Erst im Herbst will sich die Euro-Gruppe damit beschäftigen, ob Griechenland jemals wieder ein erträgliches Verhältnis zwischen Schulden und Wirtschaftsleistung erreichen kann. Deshalb hat der Internationale Währungsfonds seine Beteiligung am neuen Hilfspaket auch erst einmal ausgesetzt. Die Phalanx der Gläubiger ist also sehr brüchig.

Riegert Bernd Kommentarbild App
Europa-Korrespondent Bernd Riegert

Es ist absehbar, dass die Kredite für Griechenland bis in den Unendlichkeit gestreckt werden müssen. Das ist im Prinzip ein Schuldenerlass. Das Verfahren heißt nur anders. Der ursprüngliche Plan, der beim ersten und zweiten Hilfspaket noch hieß, Griechenland solle seine Schulden irgendwann aus eigener Kraft abbauen, ist also ebenfalls gescheitert.

Auch wenn es Geld gibt: Tsipras ist gescheitert

Krachend gescheitert ist aber auch die links-rechts-radikale Koalition von Ministerpräsident Alexis Tsipras. Er war mit den Versprechen angetreten, niemals mehr ein Hilfspaket anzunehmen, die Troika nicht mehr ins Land zu lassen und seinen Bürgern Sparmaßnahmen zu ersparen. Das exakte Gegenteil hat er nun erreicht. Erst vor fünf Wochen haben die Griechen in einer Volksabstimmung den Kurs, der jetzt besiegelt wird, abgelehnt. Die Regierungspartei Syriza spaltet sich. Neuwahlen stehen bevor. Wie in dieser Konstellation die nötigen Reformen tatsächlich umgesetzt werden sollen, ist ein Rätsel.

Alexis Tsipras hat bei den Verhandlungen zum dritten Hilfspaket angesichts der immanenten Staatspleite zur Eile gedrängt. Den Ausstieg aus der Euro-Zone vor Augen, hat er viel zu spät erkannt, dass Griechenland ohne Gemeinschaftswährung der Absturz ins Bodenlose droht. Er hat in höchster Not der Überschreibung von Staatsvermögen an die Gläubiger zugestimmt. Er hat praktisch alles akzeptiert, um möglichst schnell Geld zu bekommen. Der Verdacht liegt nahe, dass er Versprechen nur abgibt, um Kredite zu erhalten. Ob er danach die Versprechen einhalten wird, ist zweifelhaft.

Die letzte Chance für den Verbleib in der Euro-Zone

Der Ministerpräsident will vor allem an der Macht bleiben, dafür scheint ihm kein Kurswechsel zu abrupt zu sein. Vertrauen kann man ihm nicht. Deshalb sind im Vertrag zum dritten Hilfspaket weitere Sicherungen und Überprüfungen eingebaut. Es wird sich zeigen, ob sie wirksam sind. Es sei noch einmal daran erinnert, dass es bis zum Herbst 2014 in Griechenland eigentlich so aussah, als sei das Schlimmste überstanden. Nach dem Regierungswechsel und dem unfassbar verantwortungslosen Taktieren der Tsipras-Truppe im ersten Halbjahr 2015 ist Griechenland wieder in die Rezession abgeglitten, die Banken sind pleite, der zahlungsunfähige Staat fährt ein Defizit ein. Das ist die erschütternde Bilanz.

Ob man das Ruder jetzt mit einem neuen Hilfspaket, dessen Bedingungen im Grunde weder die Bevölkerung noch die Regierungspartei akzeptieren, herumreißen kann, ist deswegen fraglich. Es wird Zeit gekauft. Doch wird sie auch genutzt? Nach der Einigung ist vor der Umsetzung. Wird das dritte Hilfspaket kein Erfolg, dann ist ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone nicht mehr aufzuhalten.

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Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union