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Kein Stoff für eine Staatsaffäre

Thurau Jens Kommentarbild App
Jens Thurau
5. August 2015

Landesverrat? Staatsaffäre? Bedrohung der Pressefreiheit? Die Affäre um die Ermittlungen gegen zwei Journalisten hat den Generalbundesanwalt den Job gekostet. Jens Thurau empfiehlt: Alle mal einen Gang herunterschalten.

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Landesverrat Schriftzug (Foto: DPA)
Bild: picture-alliance/dpa/D. Karmann

Was ist bislang eigentlich genau geschehen in der Affäre um netzpolitik.org? So heißt ein Journalistenportal, das im Frühjahr Unterlagen des Bundesamtes für Verfassungsschutz veröffentlicht hatte. Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass im Amt eine spezielle Einheit ins Leben gerufen werden sollte, um die sozialen Netzwerke besser zu überwachen. Diese Veröffentlichung, so die Verfassungsschützer, sei Landesverrat. Also erstattete der Präsident des Inlandsgeheimdienstes, Hans-Georg Maaßen, Anzeige. Und der Generalbundesanwalt begann mit den Ermittlungen.

Maaßens Ziel war es dabei wohl weniger, die Journalisten zu belangen. Er wollte wissen, wer da Interna aus seinem Amt an die Presse weitergegeben hat. Tatsächlich bleibt immer weniger geheim, was die Staatsschützer gern geheimhalten würden. Vor einigen Wochen hat Maaßen sich sogar in aller Öffentlichkeit darüber beklagt. Seine Mitarbeiter schufteten viele Stunden in der Woche, um brisantes Material zusammenzutragen - über Islamisten in Deutschland, über Rechts - und Linksradikale. Und fänden dann bald Berichte darüber im Internet und in Zeitungen.

Die Wut darüber ist verständlich, aber deshalb gleich eine Anzeige wegen Landesverrats? Nur nebenbei: Die Sache mit der neuen Ermittlungsgruppe beim Verfassungsschutz ist vor wenigen Wochen ganz offen im Bundestag angesprochen worden, vor laufenden Kameras.

Jens Thurau (Foto: DW)
Hauptstadtkorrespondent Jens Thurau

Und dann ermittelte also Harald Range, der Generalbundesanwalt. Und keinem fiel es so recht auf. Dem Justizminister nicht, dem Innenminister nicht, dem Kanzleramt auch nicht. Bis wieder netzpolitik.org aktiv wurde und von dem Ermittlungsverfahren berichtete. Vor gut einer Woche war das.

Und seitdem will es einfach keiner gewesen sein. Der Vorwurf des Landesverrats gegen Journalisten ist eben ein schweres Geschütz, damit macht man sich nicht beliebt und bringt die Presse gegen sich auf. Also distanzierten sich: der Justiz - sowie der Innenminister und über ihre Sprecherin auch die Kanzlerin. Nur Harald Range blieb stur: Er verbat sich jede Einmischung in seine Arbeit. Das Problem: Er ist nicht unabhängig, war es nie. Stets musste er bei seinen Ermittlungen die Sichtweise der Regierung berücksichtigen. Und sein Vorgesetzter war Justizminister Maas. Der musste Range entlassen, weil der sich in aller Öffentlichkeit gegen die Regierung stellte. Um Landesverrat ging es dabei nicht mehr, sondern um Loyalität. Von wegen Unabhängigkeit der Justiz: Wirklich unabhängig sind in Deutschland Gerichte, nicht aber Staatsanwaltschaften, auch die höchsten nicht.

Aber zurück zum Kern: Hinter Schloss und Riegel wären die beiden Journalisten von netzpolitik.org wohl kaum gekommen. Schließlich wurde lediglich ermittelt, Anklage wurde natürlich nicht erhoben, auch wenn das in manchen hysterischen Kommentaren schon behauptet wurde.

Vielleicht wäre es mal ganz schön, wenn eine Debatte darüber stattfinden würde, was Geheimdienste in Zeiten von investigativen Internet-Recherchen noch geheim halten können und ob es nicht auch Grenzen der Pressefreiheit gibt (Wohlgemerkt: Nicht in diesem Fall!). Und ob es richtig ist, wenn Politiker ständig die Unabhängigkeit der Justiz hervorheben (und sich für deren Verteidigung loben), aber flink eingreifen in das Geschehen, wenn es ihnen passt. Der Deutsche Richterbund etwa beklagt schon seit langem, dass die Staatsanwaltschaften in Deutschland eben nicht wirklich frei seien.

Und ansonsten? Landesverrat? Staatsaffäre? Alle mal schnell runter kühlen, es ist heiß genug gerade im hochsommerlichen Deutschland.