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Kommentar: Kreml provoziert Ost-West-Konfrontation

Ingo Mannteufel1. November 2014

Mit seiner erklärten Absicht, die Wahlen der Separatisten in Donezk und Luhansk anzuerkennen, festigt der Kreml die Teilung der Ukraine und ruft die Gefahr eines neuen Kalten Krieges hervor, meint Ingo Mannteufel.

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Russland Flagge neben Kreml-Kirche (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Russland wird wohl das einzige wichtige Land sein, das die für den 2. November geplanten sogenannten Wahlen der Separatisten in Donezk und Luhansk anerkennen wird. Doch Moskau wird noch mehr tun, als nur dem neuen politischen Gebilde Legitimität zuzusprechen.

Zuallererst ist zu erwarten, dass Russland die Versorgung dieser von Kiew abtrünnigen Landesteile übernimmt und den von Krieg und Gewalt gebeutelten Menschen über den Winter hilft. Das ist aus humanitären Gründen richtig, wobei nicht vergessen werden sollte, dass die russische Politik die entscheidende Ursache dafür ist, dass es dort überhaupt zu Kriegshandlungen gekommen ist.

Neuer "eingefrorener Konflikt"

Porträt von Ingo Mannteufel (Foto: DW)
Ingo Mannteufel, Leiter der Russischen RedaktionBild: DW

Mit den Wahlen in den selbsternannten Volksrepubliken in Donezk und Luhansk wollen die Separatisten ihre erkämpfte Macht sichern. Die Loslösung von Kiew soll legitimiert und die eigene Verhandlungsposition gegenüber der ukrainischen Regierung, aber auch gegenüber der EU und den USA gestärkt werden. Im Ergebnis entsteht - von Moskau gesteuert - endgültig in der Ostukraine ein neuer "eingefrorener Konflikt", von dem es im post-sowjetischen Raum schon mehrere gibt: Bis heute existieren die vor rund einem Vierteljahrhundert entstandenen separatistischen Gebilde in Transnistrien, Abchasien, Südossetien und Berg-Karabach.

Für die russische Politik sind solche "eingefrorenen Konflikte" ein vertrautes Terrain und letztendlich sehr willkommen. Denn über diese Stellvertreter-Strukturen lassen sich in endlosen diplomatischen Verhandlungen die russischen Interessen geschickt wahren.

Mehr noch: Die ungelösten Territorialkonflikte destabilisieren die von Abspaltung betroffenen Länder insgesamt. Über eine Politik von Zuckerbrot und Peitsche kann Moskau die dortigen gesellschaftlichen Stimmungen beeinflussen und auf die Innenpolitik einwirken. Moldauer und Georgier können davon seit Jahren ein Lied singen.

Ohnmacht in Kiew

Die ukrainische Führung kann dieser aggressiven russischen Politik für den Moment nichts entgegensetzen: Die Krim hat Kiew im Frühjahr noch kampflos aufgegeben. Der ukrainische Versuch, mit Waffengewalt die Abspaltung von Donezk und Luhansk zu verhindern, ist dann im Sommer nach schweren militärischen Niederlagen gescheitert. Im Minsker Waffenstillstandsabkommen musste der ukrainische Präsident Poroschenko den entstandenen Status quo in der Ostukraine faktisch anerkennen.

Nicht nur die militärische Schwäche hat ihn dazu gezwungen. Vielmehr steht die Ukraine vor großen politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Herausforderungen. Die Ukraine wird nur durch internationale - sprich vor allem europäische - Kredithilfe in der Lage sein, die Milliardensummen aufzubringen, zu denen sich die Ukraine bei der vorläufigen Beilegung des Gasstreits mit Russland verpflichtet hat. Die Krim und die Ostukraine sind nur zwei von vielen Problemen, vor denen die neue ukrainische Führung steht.

Gefahrenabwehr statt Partnerschaft

Genauso wie die Ukraine werden auch die Staaten der EU und die USA die Wahlen in den selbsternannten Volksrepubliken in Donezk und Luhansk nicht anerkennen. Die vor Ort entstandene neue Lage müssen aber auch sie faktisch hinnehmen. Doch entgegen möglicher Hoffnungen im Kreml wird der Westen nicht wieder zur Tagesordnung übergehen - wie nach dem Georgien-Krieg 2008.

Die Ukraine-Krise und die russische Politik in diesem Jahr haben eine neue Epoche in der europäischen Sicherheitspolitik eingeleitet. Statt Partnerschaft mit Russland rückt nun wieder Gefahrenabwehr ins Zentrum. Das hat eine gezielte Aufrüstung der Verteidigungskapazitäten in den europäischen NATO-Staaten zur Folge. Russische Militärgeschwader, die ohne Ankündigung über Nord- und Ostsee fliegen, verstärken nur den Eindruck, dass dies notwendig ist. Ein neuer Rüstungswettlauf könnte bevorstehen.

Statt Vertrauen herrscht nun Misstrauen. Statt einer breiten Zusammenarbeit zwischen Europa und Russland wird es künftig ein Nebeneinander von Sanktion und begrenzter Kooperation geben. Ob im Handel, im wissenschaftlichen Bereich, in der Raumfahrt oder auch in außenpolitischen Fragen - überall ist zu erwarten, dass die Kontakte reduziert werden. Hardliner auf beiden Seiten werden dies fordern.

Letztendlich muss es darum gehen, keinen neuen Kalten Krieg entstehen zu lassen. Doch die Gefahr besteht, dass die russische Teilungspolitik in der Ukraine - wie in Deutschland zu Beginn des (ersten) Kalten Krieges - eine neue Ost-West-Konfrontation heraufbeschwört. Es wird täglich schwerer, dies zu stoppen.