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Landesvater Kretschmann und die neue Staatspartei

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Felix Steiner
23. Februar 2016

Verkehrte Welt in Baden-Württemberg: Ein grüner Ministerpräsident, der die Bundeskanzlerin lobt und gegen den die CDU nicht punkten kann. Der Südwesten ist weiter für politische Überraschungen gut, meint Felix Steiner.

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Deutschland Grünen-Landtagsfraktionsvorsitzende Winfried Kretschmann in Stuttgart
Bild: picture-alliance/dpa/M. Murat

Winfried Kretschmann ist ein völlig untypischer Grüner. Einer, der - wenn er kein herausragendes Amt hätte - in ständigem Konflikt mit seiner Parteiführung läge. Einer, der in Berlin, Hamburg und all den anderen deutschen Metropolen, die sich für den Nabel der Welt halten, völlig unwählbar wäre. Weil zu bürgerlich, zu bieder, zu provinziell.

Baden-Württemberg ist anders als Berlin oder Hamburg. Dort, wo es keine Millionenstadt gibt, aber in fast jedem Dorf mindestens eine kleine Fabrik steht (viele davon Weltmarktführer in ihrer Nische), wo große Teile des Wohlstands dieser Republik erwirtschaftet werden, dort mag man einen wie Winfried Kretschmann. Einen, der im katholischen Kirchenchor singt und seit 40 Jahren mit der gleichen Frau verheiratet ist. Das ist wertkonservativ im besten Sinne des Wortes. Und Baden-Württemberg ist konservativ bis ins Mark.

Grüner Erfolg im Auto-Land

Aus diesem Grund war es kein Wunder, dass die CDU in Baden-Württemberg über Jahrzehnte nahezu unangefochten regieren konnte. Die Landtagswahl von 2011, die Kretschmann ins Amt des Ministerpräsidenten brachte, tat man in eben dieser CDU als einmaligen "Betriebsunfall" ab: Zwei Wochen nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima - klar, dass die Grünen da ein sensationelles Ergebnis einfahren konnten. Die Wähler würden schon sehen, wohin das führe im Land von Daimler, Porsche und Bosch - spätestens in fünf Jahren sei der grün-rote Spuk wieder vorbei, trösteten sich die Schwarzen, als Grüne und SPD gegen die CDU eine Regierung bildeten.

Doch nun straft Winfried Kretschmann die allzu Selbstgefälligen in der CDU Lügen: Nicht nur, dass seit Wochen schon alle Demoskopen melden, selbst CDU-Anhänger fänden Kretschmann deutlich attraktiver als ihren eigenen Spitzenkandidaten. Nein, nun sagt auch das erste Institut voraus, die Grünen könnten die CDU überholen und stärkste Fraktion werden. Das gab es noch in keinem deutschen Bundesland - die Sensation wäre perfekt.

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DW-Redakteur Felix Steiner

Natürlich ist die Stärke der Grünen in Baden-Württemberg auch der Schwäche von CDU und SPD geschuldet. Beiden Parteien drohen historisch niedrige Stimmenanteile. Da ist zum einen die "Alternative für Deutschland", die alle die sammelt, die sich angesichts offener Grenzen und ungebremstem Flüchtlingszustrom von den etablierten Parteien abwenden - zwölf Prozent der Wähler sollen es inzwischen sein. Und vermutlich werden es am Wahltag noch mehr.

Schwache Spitzenkandidaten bei CDU und SPD

Und da sind zum anderen die, die vom Spitzenpersonal ihrer bisherigen Wahlpräferenzen nicht wirklich überzeugt sind - weder vom farblosen Landeswirtschaftsminister der SPD, noch vom weithin unbekannten Herausforderer Kretschmanns von der CDU. Der seinerseits die absehbare Katastrophe für seine Partei noch schlimmer macht, in dem er jetzt kurz vor dem Wahltag versucht, sich als Opponent gegenüber Angela Merkel zu positionieren.

Das treibt nun auch noch die weg von der CDU, die hinter der Politik der Kanzlerin stehen. Und denen Winfried Kretschmannn mit seinem Bekenntnis, er "bete jeden Tag für die Gesundheit von Angela Merkel", gerne Heimat gibt. "Regieren ist eine Stilfrage" steht neben einem Foto Kretschmanns, das die Grünen im ganzen Land plakatiert haben - selten hat ein Plakat den Nerv der konservativen Wählerschaft im Südwesten besser getroffen.

Der geachtete Landesvater

Kretschmann ist der geachtete Landesvater, pflegt eine präsidiale Attitüde, sucht pragmatische Lösungen anstatt zu polarisieren - all das, was man in der Heimat des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss eben sehr schätzt. Die Grünen wissen, dass allein er der Vater ihres Erfolges ist und haben deswegen den Wahlkampf ganz auf ihn, den Ministerpräsidenten, zugeschnitten. Die neue Staatspartei von Baden-Württemberg ist grün - wer hätte sich das je träumen lassen?

Sicher ist der Verbleib Kretschmanns im Amt indes noch lange nicht. Denn wenn sich die Wahlverlierer CDU und SPD gemeinsam mit der FDP zu einer schwarz-rot-gelben Koalition verbünden, dann wäre selbst der Status als stärkste Fraktion im Landtag für die Grünen nutzlos - die CDU kennt dieses Gefühl ja. Kretschmann kann nur mit einer schwarz-grünen oder einer grün-rot-gelben Koalition Ministerpräsident bleiben - für alles andere sind keine Mehrheiten in Sicht. Beides wären - wie auch die schwarz-rot-gelbe Regierungsehe - Premieren für Deutschland. Das war der erste grüne Ministerpräsident vor fünf Jahren auch - und Baden-Württemberg ist gut damit gefahren.

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