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Libra oder die Macht des Geldes

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Henrik Böhme
28. Oktober 2019

Kryptowährungen wie Bitcoin gibt es schon länger. Aber erst seit Facebook ein Währungsprojekt namens Libra verfolgt, werden die Finanzbehörden in der westlichen Welt nervös. Gut so, meint Henrik Böhme.

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Facebook - Kryptowährung - LIBRA
Bild: picture-alliance/Ohde

Taxifahrer in aller Welt begehren auf, weil ihnen ein Fahrdienst namens Uber das Geschäft streitig machen will. Noch urteilen Gerichte im Sinne des alten Geschäftsmodells gegen Uber - aber wie lange noch? Hotels verzeichnen weniger Übernachtungen, weil die Leute lieber über Airbnb ihre Übernachtung buchen. Auch hier urteilen Gerichte gegen den neuen Konkurrenten aus dem Internet, weil das Geschäftsprinzip eine Zweckentfremdung von knappem Wohnraum bedeutet. Telefongesellschaften verlieren Umsatz, weil Telefonate von einem Kontinent zum anderen via WhatApp kostenlos sind. TV-Kabelanbieter stehen vor mageren Zeiten, weil immer mehr Menschen, junge vor allem, mit dem Angebot von Streamingdiensten wie Netflix oder DAZN alles bekommen, wonach sie suchen. Es leidet der Einzelhandel, weil am Ende doch lieber schnell per Klick bei Amazon und Co bestellt wird.

Längst ist es überall mit Händen zu greifen, was damit gemeint ist, wenn irgendwo plakativ davon die Rede ist, die Digitalisierung werde nicht nur unseren Alltag verändern, sondern auch viele Branchen, ob in Industrie oder Dienstleistung. Aufzuhalten scheint dieser Prozess nicht, und es ist schlicht auch nicht vorstellbar, dieses Rad zurückzudrehen. Und gerade wird die nächste Branche umgekrempelt: Die Finanzbranche.

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Henrik Böhme, DW-Wirtschaftsredaktion

Sogenannte Krytowährungen sorgen schon seit einiger Zeit für Schlagzeilen, allerdings eher der negativen Art. Das bekannteste dieser digitalen Zahlungsmittel, der Bitcoin, machte mit bislang nicht gekannten Kurs-Kapriolen auf sich aufmerksam - oder wenn irgendwelche Internet-Verbrecher das Lösegeld nur in Form von Bitcoin akzeptierten. Auch für die organisierte Kriminalität oder die Drogen-Mafia sind Krypto-Währungen ein Geschenk des Himmels. Weil sich die Spur des digitalen Geldes in den unbekannten Untiefen zwischen Nullen und Einsen nahezu perfekt verschleiern lässt.     

Der gute Mister Zuckerberg

Aber beim Geld hört die Freundschaft bekanntlich auf. Daher beäugen die Aufpasser, die noch aus der analogen Geld-Welt kommen, die Welt der Digi-Coins seit deren Auftauchen mehr als skeptisch. Passiert ist bislang allerdings wenig bis nichts. Doch das ändert sich jetzt gerade. Vor einiger Zeit nämlich machte der Internet-Gigant Facebook seine Pläne einer eigenen Digital-Währung namens Libra publik.

Wie immer, wenn Mark Zuckerberg solche Ideen hat, führt er freilich nur Gutes im Schilde. Eine weltumspannende Internet-Versorgung bis in den letzten Winkel dieser Erde: natürlich eine rein humane Geschichte. Jetzt eine Digitalwährung, die das Überweisen von Geld so schnell, sicher, einfach und billig machen soll wie das Verschicken einer WhatsApp-Nachricht (WhatsApp, nur zur Erinnerung, ist eine Facebook-Tochter). Ziel des Libra-Konsortiums ist selbstredend nicht, Profit zu machen, sondern 1,7 Milliarden Menschen, die keinen Zugang zu Finanzdienstleistungen haben, eben diesen Zugang zu verschaffen. Also auch hier: eine total menschliche Geschichte.

Allein, es fehlt der Glaube daran, dass Zuckerberg und die Seinen tatsächlich nur Gutes im Schilde führen. Warum haben dann Ebay, Paypal, Mastercard und Visa dem Konsortium den Rücken gekehrt? Warum werden plötzlich die Aufsichtsbehörden und Finanzminister nervös? Warum wird Zuckerberg in dieser Woche ganze sechs Stunden vor einem Ausschuss des US-Kongresses gegrillt? Selbst der Chef der größten Bank der Welt, Jamie Dimon von JP Morgan Chase, wirkt nicht wirklich souverän, wenn er sagt, der Libra habe "keine Zukunft" und werde "nie passieren". Ein Pfeifen im Wald?

USA | Mark Zuckerberg
Mark Zuckerberg während einer Anhörung im US-Kongress am Mittwoch, 23.10. Bild: picture-alliance/dpa/AP Photo/File/A. Harnik

Das Ende des Dollar?

Die Angst geht nämlich um, dass, wenn ein Konzern mit einer solcher Marktmacht wie Facebook mit seinen 2,4 Milliarden Nutzern in den Finanzmarkt eintritt, die Stabilität eben dieses Marktes gefährdet sein könnte. Mehr noch: Das könnte die Rolle des Dollar als Weltleitwährung torpedieren. Das aber hätte dramatische Folgen für die US-Außenpolitik: Viele Sanktionen gegen missliebige Regimes oder Diktatoren funktionieren über die Währung. Das ginge dann womöglich nicht mehr. Ob Geldwäsche oder Terror-Finanzierung: Wenn Geldströme nicht mehr nachvollziehbar sind (was heute schon schwer genug ist), könnten Dinge außer Kontrolle geraten.

Sogar die Europäer sind aufgewacht. Deutschlands Finanzminister Olaf Scholz hat sich zum Vorkämpfer gegen den Libra aufgeschwungen, erhielt unlängst in Washington Beifall sogar vom Chef der US-Notenbank für seine Gefahrenanalyse. Scholz will nicht nur den Libra nicht haben, sondern eine Alternative schaffen für schnelles und kostengünstiges Überweisen von Geld über Ländergrenzen hinweg. "Wir brauchen den digitalen Euro", heißt es unterstützend vom Verband der deutschen Privatbanken. Und weiter: Machen wir es nicht, dann machen es andere.

Das klingt dann schon beinahe wie eine Kopie von Mark Zuckerburg. Der hatte nämlich vor den US-Abgeordneten ein schlagendes Argument parat: Es wäre doch besser, wenn die Regulierer sein Libra-Projekt genehmigen würden. Denn würde Amerika nichts machen (Zuckerberg meinte freilich Facebook), dann machten es eben andere: In China würden längst ähnliche Pläne entwickelt, die eine viel größere Gefahr wären. So also lautet die große Frage: Werden Staaten künftig noch das Geldmonopol haben, werden es private Firmen wie Facebook sein oder die Betreiber der Serverfarmen, die rund um die Welt Bitcoins schürfen? 

Die Schlacht um das Geld der Zukunft ist längst eröffnet.     

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Henrik Böhme Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Auto- und Finanzbranche@Henrik58