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Kommentar: Mauer des Schweigens

Stefan Nestler24. Juli 2013

Die Dopingenthüllungen zur Tour de France 1998 bestätigen, was viele bereits geahnt haben. Einen Skandal findet DW-Sportredakteur Stefan Nestler, dass die Ergebnisse der Nachtests so lange geheim gehalten wurden.

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Eigentlich können die neuen Erkenntnisse zur Tour de France 1998 den Radsport kaum erschüttern, da er ohnehin spätestens seit der Dopingbeichte Lance Armstrongs weitgehend diskreditiert ist. Insofern handelt es sich nicht um ein neues Beben, sondern um ein Nachbeben. Rufen wir uns die damalige Tour in Erinnerung: Gleich zu Beginn der Dopingfund beim Team Festina, der Ausschluss der Mannschaft, Polizeirazzien in Mannschaftshotels, Fahrerstreiks. Sechs weitere Teams beenden das Rennen vorzeitig, nur die Hälfte der gestarteten Fahrer rollt über den Zielstrich in Paris. Die Frankreich-Rundfahrt 1998 geht schon damals als Skandal-Tour in die Geschichte ein.

DW-Sportredakteur Stefan Nestler. Foto: DW/Per Henriksen
Stefan Nestler, DW SportBild: DW

Wenig überraschend

Was jetzt der Bericht des französischen Senats dokumentiert, konnte man sich nach den Enthüllungen der vergangenen Jahre an fünf Fingern abzählen: Ein großer Teil der Fahrer 1998 war mit EPO gedopt. Auch dass sich die beiden Erstplatzierten, Marco Pantani und Jan Ullrich, sowie der Gewinner des Grünen Trikots, Erik Zabel, auf der langen Liste der Sünder wiederfinden, ist nicht wirklich überraschend. Pantani wurde schließlich ein Jahr später beim Giro d'Italia wegen eines stark erhöhten Hämatokritwerts aus dem Verkehr gezogen, ein Hinweis auf Doping mit EPO. Ullrich räumte kürzlich nach jahrelangem Schweigen ein, was längst aktenkundig war: dass er Eigenblutdoping betrieben hat. Dass Ullrich auch vorher schon EPO nutzte, lag beim flächendeckenden Einsatz dieser verbotenen Substanz nahe. Topsprinter Erik Zabel schließlich räumte 2007 unter Tränen ein, nur 1996 eine Woche lang zu EPO gegriffen zu haben. Den einmaligen Ausrutscher nahm ihm schon damals kaum jemand ab.

Solange winden wie möglich

Einmal mehr offenbart der Bericht der Untersuchungskommission, wie undurchdringlich in dieser Generation von Radprofis die Mauer des Schweigens war. Fast alle hielten dicht, die wenigen, die es nicht taten, wurden von ihren Ex-Kollegen wie Aussätzige behandelt. Die Devise lautete: Leugne oder winde dich, solange es geht! So praktiziert es Jan Ullrich noch heute - sogar mit einem gewissen, wenn auch fragwürdigen Erfolg: Selbst wenn ihm jetzt noch nachgewiesen werden sollte, dass er bei seinem Tour-Sieg 1997 gedopt war, bliebe ihm der Titel wohl erhalten. Nach dem Welt-Anti-Doping-Code verjähren Dopingsünden, wenn nicht innerhalb von acht Jahren ein Verfahren eingeleitet worden ist.

Mörtel angerührt

Die Dopingproben von 1998 wurden bereits 2004 mit neuen Analyse-Methoden nachgetestet. Die Ergebnisse erst jetzt, neun Jahre später, zu veröffentlichen, ist ein Skandal. Der Verdacht liegt nahe, dass die Veranstalter der Tour und auch der Radsport-Weltverband UCI alles getan haben, um die ernüchternden Resultate der Nachtests möglichst lange unter der Decke zu halten. Sie steuerten allem Anschein nach den Mörtel für die Mauer des Schweigens bei.