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NBA: Gesellschaftliches Gewissen des Sports

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Davis Van Opdorp
27. August 2020

Der Playoff-Boykott der Milwaukee Bucks, als Protest gegen Polizeigewalt, hat im gesamten US-Sport Wellen geschlagen. Das Beispiel zeigt einmal mehr, dass die NBA eine Ausnahmestellung einnimmt, meint Davis Van Opdorp.

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Magic Bucks Basketball Tribüne Sitzplätze
Bild: picture-alliance/AP Photo/A. Landis

Es ist kein Zufall, dass es ein NBA-Team war, das einen massiven Boykott auslöste, der sich fast über den gesamten US-Sport ausbreitet. Im Gegensatz zu anderen Profi-Sportligen in den Vereinigten Staaten hat die NBA lange Zeit geduldet, dass die Spieler die Bühne nutzen, die ihnen die beste Basketball-Liga der Welt bietet, um sich am gesellschaftlichen Diskurs zu beteiligen. Die NBA unternahm den beispiellosen Schritt, die "Black Lives Matter"-Bewegung aktiv zu fördern, als die wegen der Corona-Pandemie unterbrochene Saison in der Walt Disney World in Orlando, Florida, wieder aufgenommen wurde.

Bühne für politische Forderungen

Als nun der 29-jährige Schwarze Jacob Blake vor den Augen seiner drei Söhne in Wisconsin mehrfach von einem Polizeibeamten in den Rücken geschossen wurde, war es daher keine Überraschung, dass die Milwaukee Bucks, deren Heimat-Bundesstaat Wisconsin ist, als erstes Team handelte.

Die Entscheidung der Bucks, am Mittwochabend nicht zum fünften Playoff-Spiel gegen die Orlando Magic anzutreten, führte in der Folge nicht nur zu mehr als einem Dutzend weiterer Spielverschiebungen im gesamten US-Sport, sondern sie wurde auch von den Teambesitzern "von ganzem Herzen" befürwortet und unterstützt.

Obwohl der erste Boykott in der Geschichte der seit 1946 bestehenden Liga eine bereits verschobene Saison weiter in Gefahr gebracht hat, bleibt die Tatsache, dass die NBA nach wie vor eine der wenigen Bühnen des Sports ist, auf der politische Forderungen nach sozialen Veränderungen willkommen sind.

Rückkehr mit Bedeutung

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DW-Redakteur Davis Van Opdorp

Ohnehin ging es für viele NBA-Profis bei der Rückkehr zum Sport im Juli nicht mehr nur um Basketball. Einige Spieler äußerten die Befürchtung, dass ein Saison-Neustart, auch wenn er für die Liga in finanzieller Hinsicht notwendig sei, den wichtigen Diskurs in der US-Gesellschaft über den Tod von Breonna Taylor und George Floyd durch Polizeigewalt übertünchen würde.

Daher erlaubte die NBA ihren Spielern, den Basketball-Court und die Übertragungen der Spiele aus der "Bubble" in Orlando zu nutzen, um einen sozialen Wandel im Land offensiv einzufordern. In Zeiten, da in den USA die größten und massivsten Antirassismus-Demonstrationen seit Jahren stattfinden und die "Black Lives Matter"-Bewegung sich lautstark bemerkbar macht, stellten sich die NBA-Profis an deren Spitze.

Der "Black Lives Matter"-Slogan wurde in jeder der Arenen, in denen auf dem Walt-Disney-Gelände die Spiele stattfinden, an prominenter Stelle gezeigt. Alle Auswechselspieler zogen, sobald sie vom Feld gingen, entsprechende T-Shirts über. Auch auf ihren Trikots, dort, wo sonst der Name steht, trugen die Spieler personalisierte Botschaften wie "Equality", "Justice now" oder "I am a man" - teilweise sogar in ihrer eigenen Sprache. So ist auf dem Rücken des deutschen Nationalspielers Maxi Kleber, der für die Dallas Mavericks aufläuft, "Gleichberechtigung" zu lesen.

Die NBA hat dazugelernt

Solch eine ligaweite Solidaritätsbekundung mit Opfern sozialer Missstände und zur Unterstützung eines sozialen Wandels ist im Sport nur selten zu sehen. Und auch als die Spieler am Mittwoch mit ihrem Boykott noch einen Schritt weiter gingen, weil sie zum Ausdruck bringen wollten, dass Botschaften alleine nicht ausreichen, stand ihnen die Liga nicht im Weg.

Ein Saison-Abbruch möchte jedoch auch die progressive NBA verhindern. Nach einer Sitzung des Gouverneursrates am Donnerstag fiel die Entscheidung, die Saison zu Ende zu spielen, obwohl sich einige Spieler - darunter laut US-Berichten auch Lebron James - für die Absage der Playoffs aussprachen. 
Doch wie die Milwaukee Bucks stand auch die NBA am Donnerstag voll hinter ihren Spielern. Die Mannschaften gaben über die sozialen Medien sogar die öffentlichen Telefonnummern und E-Mails des Bezirksstaatsanwalts und Bürgermeisters von Kenosha an die Fans weiter, damit diese ihre Beschwerden vorbringen können.

Der Umgang der NBA mit politischen Äußerungen von Klubmitgliedern oder Spielern war nicht immer vorbildlich: Im vergangenen Jahr etwa distanzierten sich die Houston Rockets von den Äußerungen ihres Generaldirektors Darryl Morrey, der die pro-demokratischen Proteste in Hongkong unterstützte. Chinesische TV-Sender hatten daraufhin erklärt, sie würden die Spiele der Mannschaft in China nicht mehr übertragen. Doch selbst in diesem Fall hatte NBA-Commissioner Adam Silver gesagt, die Rolle der Liga bestehe nicht darin, ihre Spieler, Trainer und Führungskräfte zu "regulieren".

Heute zeigt die Bereitschaft der Liga, die Gewalt und den Rassismus weißer Polizisten gegenüber der schwarzen Bevölkerung anzuprangern und den Spielern zu erlauben - ja sie sogar zu ermutigen - für das einzustehen, was ihrer Meinung nach richtig ist, dass sich die NBA von vielen Top-Sportligen der Welt positiv abhebt.

Adaption: Andreas Sten-Ziemons