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Politik

Neuer Drive in der Kosovofrage?

30. April 2019

Stabilität im Westbalkan ist im Interesse Europas - mit dieser Formel finden Frankreich und Deutschland einen gemeinsamen Nenner in der Westbalkanpolitik. Doch das alleine reicht nicht, meint Adelheid Feilcke.

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Deutschland Balkan-Treffen in Berlin | Merkel und Macron
Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Stabilität, Stabilität Stabilität - das ist der verbindende Trigger dafür, dass sich Deutschland und Frankreich wieder intensiver um die Länder des Westbalkans kümmern wollen. Es ist auch der gemeinsame Nenner einer sonst durchaus unterschiedlichen Politik Berlins und Paris gegenüber den sechs Ländern des westlichen Balkans. Und es ist ein wohltuend realistischer Ansatz, der das europäische Interesse an der Region klar benennt, ohne falsche Erwartungen und Hoffnungen zu wecken. Bei der gemeinsamen Westbalkankonferenz in Berlin machten die beiden Spitzenpolitiker Macron und Merkel am Anfang keinen Hehl daraus, worum es in dem informellen Treffen nicht gehen werde: Nicht um die EU-Perspektive, nicht um den Berlin-Prozess und nicht darum, Belgrad und Pristina im Konflikt um die Kosovofrage "eine Lösung vorzuschreiben".  Worum es vielmehr gehe, wurde auch glasklar genannt: Sicherheit, Bekämpfung von Waffenschmuggel, Terrorismus, irregulärer Migration und organisierter Kriminalität. Das sind die gemeinsamen prioritären Interessen an der Region.

Der Primat der Stabilität macht die Westbalkanpolitik stringent und in EU-Europa vermittelbar, er muss aber politisch flankiert werden. Denn am Ende kann nur ein politisch verlässlicher Partner die gewünschte Stabilität garantieren. Und Verlässlichkeit der Politik funktioniert auch auf dem Westbalkan über demokratische Kontrollorgane und demokratisch legitimierte Politik. Wer es heute nicht so genau nimmt mit dem Rechtsstaat, wird es morgen auch nicht so genau nehmen mit der Außenpolitik. Auf  Stabilokraten zu setzen, die zwar Flüchtlingsströme eindämmen, aber die Demokratie aushöhlen, ist kurzsichtig. Die Fehler aus anderen Regionen sollte man auf dem Westbalkan nicht wiederholen!

Feilcke Adelheid Kommentarbild App
Adelheid Feilcke, Leiterin der Europaredaktion der DW

Deshalb ist es höchst erfreulich, dass am Ende dieses Westbalkangipfels dann doch klare politische Schlussfolgerungen der deutsch-französischen Ko-Vorsitzenden stehen, die alle Teilnehmer in die Pflicht nehmen sollen, unter anderem für das "unerschütterliche Bekenntnis zu Demokratie, [...] zu Rechtsstaatlichkeit und verantwortungsbewusstem staatlichen Handeln, zur Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität sowie zur Stärkung der Rolle der Zivilgesellschaft und unabhängiger Medien". Papier ist bekanntlich geduldig. Es wäre aber fatal gewesen, wenn dieses Signal ausgeblieben wäre.

Es ist diese Verbindung von Stabilitätsinteressen und zukunftsgerichteter europäischer Politik, die im vergangenen Jahr den historischen Durchbruch im jahrzehntelangen Streit zwischen Griechenland und Nordmazedonien gebracht hat.

Und diese Paramenter sollten auch bei der Lösung des Kosovokonflikts Leitplanken sein. Der Streit zwischen Belgrad und Prishtina war wohl der drängendeste Grund und die schwerste Aufgabe des Westbalkangipfels: Sollte doch endgültig die Idee von Grenzkorrekturen im Ausgleich zwischen Kosovo und Serbien vom Tisch, ein "Deal", den die Präsidenten der beiden Länder mit amerikanischer Rückendeckung seit Monaten ins Spiel gebracht hatten. Das hatte in den europäischen Hauptstädten die Alarmglocken schrillen lassen. Denn es wurde an einem Tabu gerührt: Grenzverschiebungen als Teil des bilateralen Ausgleichs. Und nicht zu Unrecht befürchten viele einen negativen Effekt auf die Nachbarländer, insbesondere Bosnien-Herzegowina, dessen fragiles Konstrukt durch ethnopolitische Tabubrüche jederzeit in Frage gestellt werden kann.

Merkels und Macrons entschiedenes Beharren auf einem EU-geführten Dialog hat am Ende Wirkung gezeigt: Serbien und Kosovo wollen sich wieder unter Vermittlung der EU in den Dialog begeben, mit dem Ziel, ein umfassendes und endgültiges Abkommen zu erreichen, das der Stabilität in der Region dient und den Weg nach Europa öffnen werde.

Wenn nur die Hälfte der genannten Schlussfolgerungen ernsthaft vorangetrieben wird, hat dieser Berliner Westbalkan-Gipfel schon viel erreicht: Auf der Basis gemeinsamer Stabilitätsinteressen gelingt der Schulterschluss zwischen Frankreich und Deutschland in der Westbalkanpolitik. Und das starke europäische Duo bringt eine kraftvolle Dynamik in die stockenden oder irrlaufenden Prozesse der Region, besonders zwischen Kosovo und Serbien. Wichtig ist, dass der Drive und Druck aus Paris und Berlin nun aufrecht erhalten werden. Sonst werden sie auch zwischen Belgrad und Pristina bald wieder verpuffen.