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Politik

Noch ein Schauprozess in Russland

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Miodrag Soric
18. März 2019

Der tschetschenische Menschenrechtler Ojub Titijew ist zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Doch der gesamte Prozess war selbst für russische Verhältnisse ein unwürdiges Schmierentheater, meint Miodrag Soric.

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Ojub Titijew russischer Menschenrechtler
Seit mehr als einem Jahr sitzt der Menschenrechtsaktivist OjubTitijew (links) in HaftBild: picture-alliance/AP Photo/M. Sadulayev

Der Schuldspruch gegen Ojub Titijew war abzusehen. Das meinen zumindest Menschen, die dem Kreml nahestehen. Präsident Putin könne da nichts machen, schließlich regiere in Tschetschenien Ramsan Kadyrow. Und mit dem habe der Kreml die Abmachung: So lange Kadyrow dafür sorgt, dass tschetschenische Islamisten nicht Russland terrorisieren, dürfe dieser in Grosny tun, was er wolle.

So etwas nennen die einen Realpolitik, andere Zynismus. In Wirklichkeit aber ist ein unschuldiger Mann verurteilt worden. Sein einziges Vergehen bestand darin, sich jahrelang für verfolgte Landsleute eingesetzt zu haben. Für Menschen, die die tschetschenischen Sicherheitskräfte foltern oder einsperren. Für Familien, deren Väter oder Söhne spurlos "verschwinden", nachdem sie die örtliche Polizei mitgenommen hat. All das geschieht im Auftrag oder mit dem Wissen des tschetschenischen Präsidenten. Titijew klagte dies an. Deshalb war er Kadyrow ein Dorn im Auge.

Talentloses Theater

Niemand glaubt ernsthaft, dass Titijew Drogen besessen hat. Noch nicht einmal der Staatsanwalt. Ein völlig unfähiger, offenbar korrupter Beamter muss sich zwischendurch von der nicht weniger korrupten Richterin erklären lassen, was er sagen soll. Die angeblichen Zeugen der Anklage widersprechen sich. Der Prozess gleicht einem talentlosen, provinziellen Schmierentheater. Bezeichnend ist eine Szene, in dem ein Nachbar Ojub Titijew als demütigen, gläubigen, hilfsbereiten Muslim beschreibt und dann die Richterin fragt: Habt ihr denn keinen anderen Grund gefunden, ihn einzusperren, als ihm Drogen unterzuschieben? Er formuliert mit einer Naivität, dass selbst die Polizisten bitter auflachen.

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DW-Moskaukorrespondent Miodrag Soric

Titijew kannte das Risiko seiner Arbeit. Seine Kollegin Natalja Estimirova wurde 2009 entführt und ermordet. Andere Menschenrechtler wurden aus dem Land getrieben. Bis heute verstummen die Gerüchte nicht, dass Kadyrow auch für die Ermordung der Journalistin Anna Politkowskaja verantwortlich ist. Titijew wußte das, ließ sich nicht einschüchtern. Er war der letzte unabhängige Aktivist in Grosny. Nach seiner Festnahme gehörte Kadyrow zu den ersten, die ihm Drogenbesitz vorwarfen. Danach wußten die Sicherheitskräfte, was sie zu tun hatten.

Karabasch statt Costa del Sol

Dabei ist die Arbeit der NGOs gerade in Tschetschenien so wichtig, in dieser durch den Krieg in den 1990er Jahren teilweise verrohten Gesellschaft, in der so lange nur das Recht des Stärkeren galt. Menschenrechtler sind Seismographen für die Kultur, für die Rechtssicherheit, für die Demokratie eines Landes. Um all dies ist es schlecht bestellt in Tschetschenien. Vor allem wegen Kadyrow und seinen Schergen.

Der Präsident Tschetscheniens bekommt zurecht kein Visum für den Schengen-Raum oder die USA. Das Urteil gegen Titijew sollte Grund genug sein, seinen Helfershelfern die gleiche Wertschätzung entgegenzubringen. Russische Menschenrechtler fordern schon lange, sie nicht in den Westen reisen zu lassen. Sollen doch Kadyrows Richter, Staatsanwälte oder Polizisten statt in Spanien oder Griechenland Urlaub in Karabasch im Ural machen. Dieser Ort hat auch seinen Reiz.

Für Russlands Zivilgesellschaft ist das Urteil gegen Titijew ein herber Rückschlag. Der herrschenden Schicht scheint es völlig egal zu sein, was über sie im Ausland gedacht wird. Der Richterspruch zeigt einmal mehr: In Russland gibt es keine Rechtssicherheit. Auch westliche Investoren werden dies wahrnehmen. Und sich entsprechend zurückhalten. Armes Russland.