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Opernstreit

Marcel Fürstenau27. September 2006

Die Deutsche Oper Berlin hat aus Sorge über mögliche islamistische Anfeindungen die Mozart-Oper "Idomeneo" abgesetzt. Ein falscher Schritt, ein Akt der Selbstzensur, der von fehlendem Mut zeugt, meint Marcel Fürstenau.

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Die Intendantin der Deutschen Oper in Berlin setzt eine religionskritische Inszenierung der Mozart-Oper "Idomeneo" ab. Begründung: Sie möchte eine Gefährdung ihrer Mitarbeiter und des Publikums ausschließen. Die Befürchtungen stützen sich auf eine Gefahren-Analyse des Landeskriminalamtes, die im Auftrag des Berliner Innensenators erstellt worden sein soll. Demnach stelle das bereits vor drei Jahren aufgeführte Stück derzeit ein "unkalkulierbares Sicherheitsrisiko" dar.

Wenn diese Vermutung stimmt, dann wohl deshalb, weil sich Muslime in ihren religiösen Gefühlen verletzt fühlen könnten. Abgesehen davon, dass derlei bedauerlich wäre, egal um welche Glaubensrichtung es sich handelt, stellen sich gleich mehrere Fragen: Werden die Gefühle von Muslimen wirklich verletzt? Oder die von Christen? Oder die von Buddhisten? Oder gar die von Anhängern der griechischen Mythologie?

Denn um sie alle geht es in der Interpretation der "Idomeneo"-Inszenierung des künstlerisch verantwortliche Regisseur Hans Neuenfels. Er hat seine Haltung zur Rolle von Religionen und
Göttern in einer drastischen Szene zuspitzt, in der die abgeschlagenen Köpfe Jesus, Buddhas, Mohammeds und Poseidons nebeneinander auf Stühle gelegt werden. Eine Darstellung, die allgemein religions-kritisch ist und keinesfalls exklusiv islam-kritisch oder gar feindlich. Es gibt also nicht den geringsten Anlass, wegen unbegründeter Befürchtungen in vorauseilendem Gehorsam, in einem Akt von Selbstzensur eine Oper aus dem Spielplan zu streichen. Wer es trotzdem tut, hat offenbar ein gestörtes Verhältnis zur Kunst- und Meinungsfreiheit, die das Elixier einer aufgeklärten Gesellschaft sind. Wer an diesen Grundfesten rührt, ermuntert letztlich Radikale jedweder Art, die Demokratie unter Druck zu setzen.

In einer solchen Atmosphäre befindet sich Deutschland offenbar teilweise schon, nur so lässt sich die Überreaktion einer Oper-Intendantin erklären, sich durch diffuse Mutmaßungen über mögliche Reaktionen auf eine religionskritische Inszenierung in der künstlerischen Freiheit beschneiden zu lassen. Und zwar freiwillig.

Bezeichnenderweise gab und gibt es laut Polizei keine konkreten Hinweise auf geplante Störungen oder gar Attentate wegen der nun abgesetzten "Idomeneo"-Inszenierung.

Es handelte sich also um eine allgemeine, abstrakte Beschreibung des gesellschaftlichen Klimas, wie es spätestens seit dem Streit um
islam-kritische Karikaturen in dänischen Zeitungen zu beobachten ist - auch in Deutschland. Wenn die Entscheidung der Berliner Oper ein Fingerzeig auf künftiges Verhalten sein sollte, dann wäre es um die Freiheit von Kunst und Meinungsfreiheit geschehen. Menschlich verständlich mag die Entscheidung der Intendantin sein, die sich um die Sicherheit ihrer Mitarbeiter und des Publikums sorgte.

Noch vor drei Jahren, bei der Premiere "Idomeneo"-Inszenierung, hätte niemand einen Gedanken darauf verschwendet. So gesehen ist der Berliner Vorfall ein Symptom für fehlenden Mut, für fehlendes Selbstbewusstsein, ja für Angst. Die Lehre daraus kann nur lauten: wehret den Anfängen!