Ordungsmacht auf dem Rückzug
14. November 2014USA - die letzte verbliebene Supermacht. Wie oft wurde diese Stereotype nach dem Ende des Kalten Krieges bemüht. Dabei stimmt sie gar nicht. Gewiss: Die Sowjetunion ist untergegangen und mit ihr der frühere Ostblock. Seit 1991 leben wir in einer Weltordnung, die im Wesentlichen von Washington bestimmt wird. Inzwischen zeigen aber andere Großmächte den Amerikanern ihre Grenzen auf. China etwa, das selbstbewusst seinen Machtanspruch in Asien artikuliert. Und von den Amerikanern ernst genommen wird, wie der Besuch Barack Obamas in Peking zeigte.
Es ist schon auffallend, wie sehr sich der sonst kühle, distanzierte US-Präsident um eine persönliche Beziehung zu seinem chinesischen Counterpart bemühte. Übrigens nicht nur bei seiner jüngsten China-Visite, sondern auch zuvor bei Xis Besuch in Kalifornien. Vergebens. Xi machte beim Klima-Abkommen keine wirklichen Zugeständnisse. Obama hingegen versprach, dass die USA ihre Treibhausemmissionen reduzieren werden. Auch wenn er sein Versprechen kaum halten wird. Denn in Washington regieren nach den jüngsten Wahlen die Republikaner mit. Und die halten von einer neuen Klimapolitik rein gar nichts. Deshalb ist die Pekinger Absichtserklärung zur Absenkung der Treibhausgase vor allem eines: heiße Luft.
Verschiebungen im Machtgefüge sind offensichtlich
Obamas Werben um China zeigt, wie sehr sich das globale Machtgefüge verschoben hat: Chinas Wirtschaft wird in wenigen Jahren größer sein als die amerikanische. Ein Gedanke, an den sich die Amerikaner erst gewöhnen müssen. Ihre Volkswirtschaft wächst zwar wieder. Doch die USA sind hoch verschuldet, ihre politische Elite zerstritten, entscheidungsunfähig und vor allem auf den persönlichen Vorteil fokussiert.
Obama hetzt derweil in der Außenpolitik von einer Krise zur nächsten: der Kampf gegen den "Islamischen Staat", der bislang gescheiterte Versuch Syriens Präsident zu entmachten, die Sanktionen gegen den Kreml, das Bemühen den Iranern die Idee von der Atombombe auszureden, die Eindämmungspolitik gegenüber Nord-Korea. Der US-Präsident agiert meist glücklos, ob in Afghanistan oder in Nordafrika. Die Regierungschefs in Ägypten, Israel oder in der Türkei ignorieren ihn einfach. Wer wie Barack Obama "rote Linien" zieht und nichts tut, wenn sie überschritten werden, wirkt schwach. Seinen Landsleuten gibt er nicht das Gefühl, dass die USA unbezwingbar seien. Sind sie auch nicht, wie die Kriege im Irak oder in Afghanistan zeigen. Die Amerikaner reiben sich in zu vielen Krisengebieten auf. Hier wittern die Chinesen - und mit ihnen die Russen, Inder, Iraner und viele andere - ihre Chance, die USA dauerhaft zu schwächen.
Partner und Rivale zugleich
Folglich werden auf absehbare Zeit Amerikaner und Chinesen beides sein - Partner und Rivalen. In dem Maße, wie China wirtschaftlich erstarkt, wird es versuchen, Amerikas Einfluss zurück zu drängen. Mit der Hilfe anderer Staaten, denen die amerikanische Hegemonie schon lange ein Dorn im Auge ist.
Strategisch sind die Chinesen im Vorteil. Das Land ist das Herz des Kontinents mit dem größten Markt und dem höchsten Wachstum. Wenn die US-Wirtschaft an diesem Boom nicht mitverdient, ist ihr Niedergang vorgezeichnet. Beim Kampf um die Vorherrschaft in Asien geht es also um mehr als um Handelstarife, Klimapolitik oder Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen, die beim APEC-Gipfel diskutiert wurden.
Wer garantiert Stabilität?
Auch wenn die Ordnungsmacht Amerika schwächelt: Europas Interesse bleibt es, dass dieser Rückzug möglichst langsam und geordnet erfolgt. Bei allem Lamentieren über Amerikas Arroganz und dessen willkürliche Auslegung des Völkerrechts: Die Ordnungsmacht USA hat vielen Staaten Wohlstand und Stabilität gebracht. Derzeit gibt es keine attraktive Alternative zur amerikanischen Dominanz. Die multipolare Welt, von der Peking oder Moskau gerne reden, klingt nach weniger, nicht nach mehr Stabilität.