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Peking muss Kims Kalkül durchkreuzen

6. Januar 2016

Mit der angeblichen Zündung einer Wasserstoffbombe will Nordkorea seine Verhandlungsposition stärken. Jetzt liegt es an Peking, seinem neuen außenpolitischen Machtanspruch Taten folgen zu lassen, meint Alexander Freund.

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Kim Jong Un - Foto: picture-alliance
Bild: picture-alliance/dpa

Als hätte die Welt nicht schon genug Sorgen: Jetzt zündet auch noch ein unberechenbarer Despot eine Wasserstoffbombe – zumindest behauptete er das. Die Sorgen der nordkoreanischen Nachbarn und die scharfen internationalen Reaktionen sind berechtigt, überraschend war der Test allerdings nicht. Es war abzusehen, dass der jüngste Spross der Erbdiktatur Kim früher oder später mit einem massiven Paukenschlag auf sich aufmerksam machen würde. Die ersten Jahre hat der Jungspund gebraucht, um seine Machtposition im Inneren zu festigen. Dazu hat er offenbar mit rücksichtsloser Brutalität mögliche Widersacher ausgeschaltet und gleichzeitig Vergnügungsparks und Spaßbäder gebaut, von denen aber nur eine Minderheit der darbenden Bevölkerung etwas hat.

Das war offensichtlich nicht genug. Deshalb wollte er jetzt, kurz vor seinem Geburtstag gegenüber seinem eigenen Militär und nach außen Stärke zeigen. Die angebliche Zündung einer Wasserstoffbombe ist ein Versuch, sich mit allen Mitteln wieder an den Verhandlungstisch zu bomben. Aus der Mottenkiste des Kommunismus hieß es denn auch gleich, Nordkorea habe "als Atommacht die nächste Stufe" erklommen.

Kim könnte Erfolg haben

Es wird dauern, bis wir erfahren, was Nordkorea tatsächlich gezündet hat. Als Nordkorea 2006 erstmals behauptete, es habe eine Atombombe gekündet, wurde es noch verspottet. Auch drei Jahre später ließ die gemessene Sprengkraft noch viele zweifeln. Was Nordkorea aber 2013 unterirdisch zündete, war bereits gewaltig und viel stärker als die Hiroshima-Bombe. All dies wäre aber nichts im Vergleich zur Zerstörungskraft einer Wasserstoffbombe. Ob allerdings ein Regime, das der Weltgemeinschaft in fast allen technologischen Bereichen Jahrzehnte hinterherhinkt, dazu wirklich in der Lage ist, muss sich erst noch zeigen.

Alexander Freund - Foto: DW
Alexander Freund, Leiter der DW-Asien-Programme

Klar ist aber, dass Kims plumper Versuch vermutlich Erfolg haben wird: Nach einer Verurteilung durch den Weltsicherheitsrat werden die Sanktionen gegen Nordkorea möglicherweise erneut verschärft, die Schutzmacht USA wird mit martialischen Seemanövern ihre Entschlossenheit zur militärischen Unterstützung Südkoreas und Japans demonstrieren. Und mittelfristig wird es wohl neue Sechs-Parteien-Gespräche von Nord- und Südkorea, den USA, Russland, Japan und China geben. Bei den letzten Gesprächsrunden konnte Nordkorea nach zähen Verhandlungen zumindest ansatzweise zur Räson gebracht werden. Im Gegenzug bekam Pjöngjang die dringend benötigte Wirtschaftshilfe. Sollte das erneut gelingen, würde Kims Kalkül ein weiteres Mal aufgehen.

Kreislauf der Provokation durchbrechen

Allerdings besteht Hoffnung, dass dieses Ritual nach der jüngsten nordkoreanischen Provokation endlich durchkreuzt wird. Denn die Zeiten haben sich geändert: In den USA regiert ein zaudernder Präsident, der sich außenpolitisch am liebsten aus allem heraushält und der trotz Tränen in den Augen nicht einmal die Waffennarren im eigenen Land zur Vernunft bringen kann. Die national-konservative Regierung in Japan ist nicht länger gewillt, Konflikte nur noch mit der Kreditkarte zu lösen. Südkorea ist näher an China gerückt, auch zu Japan zeichnet sich eine Entspannung ab.

Vor allem aber regiert in Peking jetzt mit Xi ein starker Mann, der fest entschlossen ist, China nach der wirtschaftlichen Aufholjagd nun auch außenpolitisch stärker zu positionieren. Und die neue Supermacht sollte es sich nicht gefallen lassen, dass ihr das verbündete Nordkorea auf der Nase rumtanzt. Immer wieder hat Nordkorea den Gastgeber der letzten Sechs-Partien-Gespräche brüskiert. Seit 2009 liegen die Verhandlungen auf Eis. Der Gesichtsverlust für China war erheblich.

Wenn China seinen neuen außenpolitischen Anspruch untermauern will, dann sollte Peking lieber das marode Nordkorea in die Schranken weisen, als Atolle im Südchinesischen Meer zu Militärbasen auszubauen. In Nordkorea könnte der neue starke Mann Chinas sehr leicht seinen Einfluss geltend machen. Kappt Peking seine wirtschaftliche Unterstützung für die geltungssüchtige Kim-Dynastie, wird Nordkorea einlenken müssen. Der scharfen verbalen Kritik aus Peking Richtung Pjöngjang nach dem Test müssen jetzt auch Taten folgen.

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DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund