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Kommentar: Weltweite Herausforderung

Judith Hartl16. April 2014

Die EU möchte die Zahl der leichten Plastiktüten um 80 Prozent reduzieren. Gutgemeint, findet Judith Hartl, doch angesichts des riesigen weltweiten Plastikmüllproblems ein Tropfen auf dem heißen Stein.

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Judith Hartl, Wissen und Umwelt (Foto: DW).
Bild: DW

Eigentlich ist Plastik ein tolles Material. Fast alles lässt sich aus Kunststoff herstellen - Möbel, Geschirr, Autos. Denn Kunststoff hat wunderbare Eigenschaften: Er ist günstig, bestens formbar, leicht und trotzdem stabil. Außerdem lässt sich Kunststoff wiederverwerten. Aus ausgedienten Plastikflaschen können Pullover, Stoßstangen oder Möbel hergestellt werden. Kunststoff kann bedruckt und eingefärbt werden und - er ist langlebig. Und genau hier liegt das Problem. Plastik bleibt. Plastik zersetzt sich nicht. Zumindest so gut wie nicht. Es dauert Hunderte von Jahren, bis eine gelbe, kleine Plastikente, die irgendwann in einem See gelandet ist, nicht mehr als solche erkennbar ist. Und nochmal ein paar hundert Jahre, bis nichts mehr von ihr übrig ist.

Ein paar verloren gegangene Plastikenten hält die Natur aus. Was sie aber strapaziert, sind Billionen von Plastiktüten, die weltweit durch die Gegend fliegen. Die meisten landen im Wasser: Erst in Flüssen, dann im Meer. Manche Gewässer sind eine einzige Plastikschlamm-Pampe, im Pazifik wirbelt ein riesiger Plastikteilchen-Strudel umher und im Magen der meisten Wale und Delfine finden sich unvorstellbar viele Plastiktütenreste mit Schriftzügen aus der ganzen Welt. 40-mal könnte man die Erde einwickeln - alleine mit den Tüten, die innerhalb eines einzigen Jahres im Umlauf sind.

Globale Lösungen müssen her

Jetzt will die EU Plastiktüten drastisch reduzieren. Genauer gesagt, erst einmal die ganz dünnen, leichten Einwegtütchen, in die wir Obst oder Gemüse verpacken und deren Verbrauch in der EU offenbar besonders hoch ist. Denn diese Tütchen gibt's im Gegensatz zu den großen Plastiktüten überall umsonst. Noch. Denn eine Reduzierung von 80 Prozent - wie sie sich die EU vorstellt - kann nur über ein Verbot oder ein Pfand auf jeden Minibeutel erreicht werden.

Ich bin sicher, das könnte - in Europa - durchaus funktionieren. Verbraucher würden, wenn sie für jedes Beutelchen zahlen müssten, zumindest abwägen, ob sie es überhaupt brauchen. Sollte sich die EU nun tatsächlich auf die Reduzierung der Fliegengewichts-Tüten einigen, wäre das eine erfreuliche Maßnahme. Aber nicht mehr. Denn Plastikmüll ist ein riesiges, weltweites Problem, das internationale Lösungen und Regeln braucht.

Dazu gehört unter anderem ein Konzept, das auch ärmeren Staaten ermöglicht, ihren anfallenden Plastikmüll vernünftig zu entsorgen. Nicht im Meer, sondern in modernen Verbrennungs- und Recyclinganlagen. Auf das schlechte Gewissen und das ökologische Bewusstsein der Menschen, Müll zu vermeiden und auf Plastiktüten zu verzichten, damit keine Delfine ersticken, sollte man kurzfristig besser nicht bauen. Zumindest nicht ausschließlich.