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Putin, Assad und die Bomben auf Aleppo

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp
13. August 2016

Syrien und Russland bekämpfen die Gegner des Assad-Regimes mit aller Härte. Die Zivilbevölkerung spielt für sie keine Rolle. Beide Herrscher haben aus der jüngeren Geschichte nichts gelernt, meint Kersten Knipp.

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Syrien Aleppo Kämpfe
Bild: picture alliance/AA/B. El Halebi

Wer immer Krankenhäuser, Schulen und Märkte im östlichen Teil von Aleppo beschießt, ob es die Luftwaffe Assads oder diejenige Putins ist: Verantwortlich für die toten syrischen Zivilisten sind beide. Beide, Putin ebenso wie Assad, lassen seit Monaten ihre Bomben vom Himmel Syriens fallen, ohne jede Rücksicht auf die nicht-kämpfende syrische Zivilbevölkerung.

Das Argument beider Potentaten ist dasselbe: Man bekämpfe den internationalen Terrorismus. Es ist wahr: Der gehört bekämpft - nicht nur, aber auch militärisch. Es ist richtig, den Mördern, Vergewaltigern und Plünderern in aller Entschiedenheit, und durchaus auch mit Gewalt, zu begegnen.

Kaum überbietbarer Zynismus

Absolut nicht richtig ist es hingegen, dies auf eine Weise zu tun, in der Unbeteiligte keine Rolle spielen. Mehr noch: Putin und Assad legen bei ihrem Kampf einen Zynismus an den Tag, der schwer zu überbieten ist. Der Beschuss von Märkten und Krankenhäusern ist nichts anderes als eine Kollektivstrafe. Erhoben, um all jene, die es wagen, die Vorstellungen der beiden Gewaltherrscher nicht zu teilen, ihre Unbotmäßigkeit mit dem Tod büßen zu lassen. Der rechtsfreie Raum, der Syrien längst geworden ist, zeigt, wie weit die beiden in ihrer Gewaltbereitschaft zu gehen bereit sind: nämlich bis zum Äußersten. Moskauer Dissidenten dürften die Botschaft von Aleppo sehr genau verstanden haben.

Kersten Knipp (Foto: DW)
DW-Autor Kersten Knipp

Ruinierter Kolonialstaat

Was ein solches Vorgehen bringt, hätte Putin eigentlich in den Jahren nach 1989 lernen können, als das Sowjetreich zusammensackte. Damals konnte er erleben, wie die Menschen über dieses Reich abstimmten: durch Abkehr nämlich. Aus der sowjetischen Unterdrückung wollten sie so schnell wie möglich entfliehen. Wenn es für sie bis heute eine no-go-area gibt, dann liegt sie in östlicher Richtung.

Diese Lektion hat Putin nie begriffen: Die Menschen wendeten sich von der UdSSR und später auch von Russland ab, weil beide Staatswesen nahezu alles taten und tun, um ihre Nachbarn vor den Kopf zu stoßen. Die Sowjetunion war ein Kolonialstaat, dem die unterworfenen Nationen bei der ersten sich bietenden Gelegenheit davonliefen. Dass ein Staatenbund um seine Mitglieder und Nachbarn werben, sie von sich überzeugen, sie statt zur Furcht zur Achtung bringen muss - das haben Putin und offenbar der größte Teil seiner Umgebung nie verstanden.

Russisch-schiitisches Schreckensregime

In welch selbstreferenziellen Kreisen Putins Denken dreht, zeigt sich derzeit in der Debatte um das russische Staatsdoping. Dank eines deutschen Sportfunktionärs darf das Land nun zwar doch an den olympischen Spielen teilnehmen. Doch an den sportlichen Wert der dort erkämpften Medaillen dürfte man nur im Kreml glauben. Überall sonst geht man davon aus, dass sie, wenn überhaupt etwas, dann Ausdruck der Leistungsfähigkeit russischer Giftküchen sind. Solange sie sich verdrängen lässt, zählt die traurige Wirklichkeit in Moskau offenbar wenig.

Eine ähnlich absolutistischen Umgang mit der Wirklichkeit pflegt Putin - und mit ihm Assad - auch im Hinblick auf Syrien: Auf dem Boden des dann totgeschlagenen Syriens wird ein russisch-schiitisches Schreckensregime entstehen. Das mag aus Moskauer und Damaszener Sicht als ehrenwerter Staat gelten. Alle andere hingegen dürften sich fragen, wie dort jemals eine funktionierende Nachkriegsgesellschaft entstehen soll.

Was sich dort, wenn die Waffen irgendwann schweigen, entwickeln wird, ist absehbar: eine autoritär geführte Gesellschaft, ein "stahlhartes Gehäuse", als welches Max Weber die effektiven Zugriffstechniken der Moderne einst beschrieb - hier nochmal potenziert durch die enthemmten Gewalttechniken eines orientalischen Despoten. Viele derer, die jetzt noch dort ausharren, werden in Zukunftimmer noch dringlichere Fluchtgründe haben.

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DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika