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Politik

Duterte muss sich verantworten!

15. Dezember 2016

Der philippinische Präsident prahlt damit, in Selbstjustiz Menschen getötet zu haben. Doch offizielle Stellen beschwichtigen lieber, statt aufzuklären. Dabei ist Duterte spätestens jetzt untragbar, meint Thomas Latschan.

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Philippinen Präsident  Rodrigo Duterte
Bild: picture-alliance/dpa/M.R.Cristino

"Du sollst nicht töten!" - so lautet im Juden- und Christentum das fünfte Gebot. Die Philippinen sind ein erzkatholisches Land. Die Kirche spielt eine wichtige gesellschaftliche Rolle. Die Todesstrafe ist seit 2006 abgeschafft. Und doch findet ein Großteil der Menschen nichts dabei, wenn ihr eigener, demokratisch gewählter Präsident öffentlich bekennt, früher eigenhändig Menschen umgebracht zu haben. Nicht etwa aus Notwehr, sondern "um den Polizeibeamten zu zeigen: Wenn ich das kann, könnt ihr es auch!" Duterte beschreibt, wie er in seiner Zeit als Bürgermeister von Davao auf dem Motorrad durch die Straßen seiner Stadt gefahren sei, "auf der Suche nach Ärger, nach einer Gelegenheit zum Töten". Und er lässt keinen Zweifel daran, dass er sich dabei völlig im Recht fühlt.

Keine Reaktionen und Proteste in Manila

Diese Aussage stellt alles in den Schatten, was bisher schon international für einen Aufschrei der Empörung gesorgt hatte: seinen skrupellosen Drogenkrieg, seine unflätigen Beleidigungen, seinen überbordenden Machismus. Doch der eigentliche Skandal ist, dass Rodrigo Duterte wieder einmal ungeschoren davonkommen könnte. Denn die ersten offiziellen Reaktionen aus Manila werfen ein erschreckendes Bild auf die politischen und gesellschaftlichen Kontrollmechanismen im Land. Normalerweise müsste seine Immunität aufgehoben werden, das Parlament ein Amtsenthebungsverfahren einleiten, der Generalstaatsanwalt Ermittlungen aufnehmen. Doch nichts davon geschieht.

Latschan Thomas Kommentarbild App
Thomas Latschan, Redakteur am Asien-Desk der DW

Das Parlament kann oder will seine Kontrollfunktion nicht wahrnehmen. Im Unterhaus müssten zwei Drittel der Abgeordneten für ein Amtsenthebungsverfahren stimmen. Doch Dutertes Regierungskoalition besitzt dort eine satte Mehrheit. Ein Untersuchungsausschuss hatte bereits zuvor versucht, Dutertes zweifelhafte Rolle im Drogenkrieg in Davao aufzuklären. Vor einigen Wochen hatte ein ehemaliger Leibwächter den Präsidenten schwer belastet. Doch nicht Duterte musste gehen, sondern Senatorin de Lima, die Vorsitzende des Untersuchungsausschusses und seine schärfste Kritikerin. Und der Justizminister - von Duterte selbst ernannt - macht keine Anstalten, die Vorfälle aufzuklären. Er erklärt lieber öffentlich, der Präsident habe übertrieben, "mal wieder - man weiß ja, wie er redet". Und selbst wenn er in Davao Menschen getötet habe, dann sei das sicher aus Notwehr geschehen.

Man muss sich das einmal vorstellen: Der Präsident propagiert eine knallharte "Law and Order"-Politik,  gibt dabei aber indirekt Selbstjustiz zu, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Damit schafft er ein Klima der Straflosigkeit für jeden, der im Namen seines Antidrogenkrieges andere Menschen tötet. Der Rechtsstaat erklärt seinen Bankrott. Doch wo bleibt der Aufschrei? Wo sind Kirche und Medien, Opposition und Zivilgesellschaft? Sie alle sind uneins darüber, wie sie mit Duterte umgehen sollen, dessen Popularitätswerte trotz aller Skandale ungebrochen hoch sind. Vielen, zu vielen Filippinos scheinen in der Hoffnung auf einen wirtschaftlichen Aufschwung und eine höhere innere Sicherheit selbst schwerste Menschenrechtsverletzungen ihres Präsidenten gleichgültig zu sein.

Kein funktionierender Rechtsstaat mehr

In jedem wirklichen Rechtsstaat wäre ein Präsident wie Rodrigo Duterte spätestens jetzt nicht mehr tragbar. Zum einen juristisch - denn das Töten von Menschen ist und bleibt ein Kapitalverbrechen, dessen Umstände vollständig aufgeklärt werden müssen. Schließlich sind die Grundrechte auch in der philippinischen Verfassung fest verankert. Doch unter Duterte haben die Philippinen längst aufgehört, ein funktionierender Rechtsstaat zu sein. Aber auch moralisch ist der Präsident untragbar geworden, denn er zeigt nicht das geringste Bedauern, sondern prahlt regelrecht mit seinen Taten. Seine Richtschnur lautet "Auge um Auge" statt "Du sollst nicht töten". Vergebung, Barmherzigkeit, Nächstenliebe - christliche Tugenden wie diese scheinen ihm vollkommen fremd.

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Thomas Latschan Bonn 9558
Thomas Latschan Langjähriger Autor und Redakteur für Themen internationaler Politik