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Ruhig Blut bitte!

Marcel Fürstenau23. November 2015

Seit den Attentaten von Paris gilt in Frankreich der Ausnahmezustand. Die angespannte Lage färbt auch auf Deutschland ab. Marcel Fürstenau appelliert an Politik, Gesellschaft und Medien, rationaler zu reagieren.

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Deutschland PK de Maiziere und Weise Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Bild: Reuters/F. Bensch

"Die Lage ist ernst, aber es gibt keinen Grund zur Panik." Der Satz stammt von Thomas de Maizière. So äußerte sich der Bundesinnenminister am Abend des aus Sicherheitsgründen abgesagten Fußball-Länderspiels zwischen Deutschland und den Niederlanden in Hannover. Die Worte sollten beruhigend wirken und passten zu de Maizière, der lange als Inbegriff des besonnenen Politikers galt. Diesen Ruf hat der Christdemokrat allerdings durch forsche Auftritte in der emotional aufgeladenen Flüchtlingsdebatte selbst beschädigt. Und seine bedächtigen Äußerungen nach den barbarischen Attentaten in Paris entwertete er leider durch andere, sehr verwirrende Bemerkungen.

Ein Beruhigungsversuch, der beunruhigte

Über die Hintergründe der extrem kurzfristigen Absage des Länderspiels mochte de Maizière nicht reden, um die Öffentlichkeit nicht zu "verunsichern". Natürlich löste er damit genau das Gegenteil aus und erntete deswegen viel Häme. Doch der wohlfeile Spott in sozialen Netzwerken und die Besserwisser-Attitude in manchen Redaktionsstuben ist oft nur ein billiger Reflex: Er stammt von Menschen, die - anders als de Maizière - keine weitreichenden Entscheidungen treffen müssen. Der Bundesinnenminister trägt die politische Verantwortung für die Sicherheit des Landes. Er ist qua Amt für so unterschiedliche Bereiche wie Sport und Verfassungsschutz zuständig. Auf seinen Schultern lastet momentan also der denkbar größte Druck. Auch das mögen seine Kritiker bitte einmal bedenken. Und trotzdem gilt natürlich: Der Innenminister muss mit gutem Beispiel vorangehen und darf nicht für Irritationen sorgen.

Mehr Besonnenheit und Einfühlungsvermögen ist aber auch auf Seiten der Medien nötig. Dass die Attentate seit über einer Woche das alles Beherrschende Thema sind, ist angesichts der Tragödie logisch und angemessen. Doch manche Facetten der Berichterstattung und Kommentierung geben zu denken: Etwa das permanent zu sehende Foto des mutmaßlichen Anführers der Attentäter von Paris, der lächelnd in die Kamera schaut. Es wirkt - natürlich unbeabsichtigt - wie eine Verhöhnung der Opfer, ihrer Angehörigen und der westlichen Welt insgesamt. Und wenn es keine anderen Bilder gibt - mitunter stammen die einzig Verfügbaren aus Propagandavideos der Täter - dann muss ihre Verwendung zumindest plausibel gerechtfertigt werden.

Kommentarfoto Marcel Fürstenau Hauptstadtstudio
Marcel Fürstenau, DW-HauptstadtstudioBild: DW/S. Eichberg

Mehr Fragen als Antworten

Unbedachte Äußerungen von Politikern und aufschreckende Schlagzeilen dürften auch eine der Ursachen für die verständliche Unsicherheit in Teilen der Bevölkerung sein. Wenn Deutschlands größtes Boulevard-Blatt nach der Länderspiel-Absage aus einem angeblich geheimen Bericht des Verfassungsschutzes zitiert, sorgt das für allergrößte Aufmerksamkeit. Dass diese und ähnliche Meldungen von der Regierung weder bestätigt noch dementiert werden, steigert aber die Verunsicherung. Inzwischen wird öffentlich darüber spekuliert, ob es überhaupt konkrete Hinweise auf geplante Anschläge in Hannover gegeben hat. Die Terror-Experten der Medien verweisen auf ihre anonymen Quellen in Sicherheitskreisen. Die an Aufklärung interessierte Öffentlichkeit ist hin- und hergerissen. Wem soll man denn nun glauben? Vertrauenserweckend wirkt das alles nicht.

Die Sorgen und Ängste der Menschen sind ernst zu nehmen, weil sie einen realen Hintergrund haben: die schrecklichen Ereignisse von Paris. Aber deswegen auf eine geplante Besichtigung des Berliner Reichstagsgebäudes verzichten, wie es manche tun? Oder Schüler von Klassenfahrten in Frankreich zurückholen? Einige Reaktionen wirken doch arg übertrieben oder gar hysterisch. Ein wenig mehr Gelassenheit täte allen Beteiligten gut. Man muss das Schicksal nicht herausfordern. Und die Absage des Länderspiels war zu diesem Zeitpunkt kurz nach den Anschlägen und der unklaren Ermittlungslage trotz aller Fragezeichen nachvollziehbar. Aber inzwischen wissen die Behörden wesentlich mehr über die Hintergründe und können das aktuelle Gefährdungspotenzial besser einschätzen. Die Phase der hektischen, mitunter unüberlegten Reaktionen sollte also vorbei sein. Jetzt gilt daher für alle: kühlen Kopf bewahren! Oder auf gut französisch: Contenance!

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