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Schlechter Zeitpunkt, Herr de Maizière!

Nina Haase/fab4. April 2015

Nach dem Absturz der Germanwings-Maschine denkt Innenminister de Maizière darüber nach, Kontrollen an allen Schengen-Grenzen wieder einzuführen. Nina Haase meint: kein gutes Timing für weitere Anti-Terror-Gesetze.

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Trauerkerzen mit der Aufschrift "Unfit 2 accept" (foto: Reuters/W. Rattay)
Bild: Reuters/W. Rattay

Es ist noch nicht lange her, dass Angehörige und Freunde am Düsseldorfer Flughafen am Abhol-Gate für den Flug 4U9525 aus Barcelona warteten. Doch sie konnten niemanden in ihre Arme schließen. Stattdessen wurden einige Tage später die Leichen ihrer Lieben in den französischen Alpen an der Absturzstelle geborgen. In Haltern am See oder auch in den anderen Orten, wo Passagiere oder Crew-Mitglieder gelebt hatten, versuchen die Familien und Freunde der Opfer gerade, das Unbegreifliche zu begreifen.

Innenminister Thomas de Maizière bezeichnete die 150 Passagiere und Crew-Mitglieder des Germanwings-Fluges als Opfer eines "Anschlags". Er beklagte, es habe zu lange gedauert, bis die Identität der Flugpassagiere vollständig geklärt war, denn auf der Passagierliste fehlten die Nationalitäten der Fluggäste aus dem Schengen-Raum. Außerdem konnten die Sicherheitskräfte nicht sicher sein, ob "Gefährder" - also potentielle Terroristen - an Bord gewesen seien. Dies sei ein gewaltiges "Sicherheitsrisiko". Deshalb fordert de Maizière, die Ausweispflicht für Flüge innerhalb der EU und des Schengen-Raums wieder einzuführen.

Wieder Grenzkontrollen in Europa - das ist falsch, Herr Minister! Die Angehörigen der Todesopfer wussten ganz genau, wer an Bord war - auch ohne den Hinweis auf ihre Nationalität auf der Passagierliste. Wenn Sie im Kampf gegen den Terrorismus die Passagier-Überwachung verschärfen wollen - dann sagen Sie dies auch klar und benutzen Sie nicht die Absturzopfer für ihre politischen Zwecke. Denn es war kein Terrorist, der dieses Flugzeug zum Absturz brachte. Es war - soweit wir es inzwischen wissen - ein Co-Pilot, der eine der besten Flugausbildungen genossen hat und für eine hochangesehene Fluglinie arbeitete, wenn auch mit potentiellen Selbstmordabsichten. Ja, er war auch ein Einzelgänger.

Nina Haase (Foto: DW)
Nina Haase

Schengen - mehr Vorteile als Risiken

Die Grenzkontrollen im Schengen-Raum wurden vor 20 Jahren abgeschafft. Die Mehrheit der Regierungen glaubte an das Prinzip der Bewegungsfreiheit innerhalb Europas. Zugegeben - nicht alle, Großbritannien zum Beispiel nicht. Aber die 26 Länder, die heute zum Schengen-Raum gehören, sind überzeugt, dass die Vorteile gegenüber den Risiken überwiegen.

Jedes Mal, wenn ich selbst unterwegs bin, freue ich mich über die Reisefreiheit innerhalb Europas. Die fehlenden Grenzkontrollen zeigen mir, dass Europa mehr als ein wirtschaftliches Zweckbündnis ist. Es bedeutet auch, dass ich einfach zwischen Deutschland, Frankreich, Belgien, Slowenien und Dänemark - um nur einige Länder zu nennen - hin- und herfliegen und mich überall zuhause fühlen kann. Und genau dafür steht die Europäische Union: Europäische Bürger sollen sich als Teil eines größeren Projektes sehen und fühlen - weg vom nationalstaatlichen Denken. Frankreichs Präsident Francois Hollande sagte dieser Tage in Berlin, Deutschland und Frankreich seien nicht zwei Länder, die in Trauer über die Germanwings-Tragödie verbunden seien, sondern eines.

Als Dänemark 2011 kurzzeitig versuchte, wieder Grenzkontrollen einzuführen, ging ein Aufschrei durch Europa. Eine neue Regierung machte diesen Schritt aber ein paar Monate später wieder rückgängig - schon allein aus ökonomischen Gründen: die Kosten für die Grenzkontrollen fallen weg und auch die Transportzeiten werden ohne die Stopps an den Grenzen kürzer und damit kostengünstiger.

Keine Einschränkung der Freiheitsrechte!

Nach einer Katastrophe wie dem Absturz der Germanwings-Maschine in den französischen Alpen mit 150 Toten ist es verständlich, dass viele Menschen nach raschen politischen Konsequenzen rufen. Nach den Anschlägen des 11. Septembers 2001 in den USA war das genauso. Eine Konsequenz damals war es, die Cockpit-Türen mit ausgeklügelten Schließmechanismen vor unberechtigten Eindringlingen zu sichern. Ausgerechnet das wurde zum Verhängnis für die Passagiere der Absturzmaschine.

Auch nach den tragischen Ereignissen um Flug 4U9525 sollten wir unsere Freiheitsrechte nicht beschneiden - schon gar nicht unter dem Vorwand des Anti-Terror-Kampfes. Und Herr Minister de Maizière, bevor Sie die Diskussion über Passagierlisten, Grenzkontrollen und den Austausch von Passagierdaten mit anderen Staaten beginnen, lassen Sie bitte die Menschen in Haltern und den anderen Städten erst einmal ihre Kränze ablegen auf die Gräber derer, die sie verloren haben!


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